Julia Arztroman Band 62
küssen.
„Da fällt dir bestimmt was ein“, antwortete Libby. All ihre Zweifel und ihre Unsicherheit lösten sich auf, während sich eine wundervolle Nacht auf sie herabsenkte.
Sobald sie im Haus waren, zeigte Nathan auf das Zimmer im Erdgeschoss. „Muss ich da drin schlafen, Libby?“
„Nur wenn du besondere Kräfte hast, von denen ich bisher nichts weiß, und du per Fernsteuerung mit mir schlafen willst.“ Damit nahm sie vorsichtig seine Hand und führte ihn zur Treppe.
Es war genauso, wie Libby es sich immer vorgestellt hatte. All die verschwendeten Jahre der Vergangenheit waren vergessen, die Zukunft lag verheißungsvoll vor ihnen. Und schließlich schlief sie mit der Gewissheit in seinen Armen ein, wie sehr Nathan sie liebte.
Bis zum nächsten Morgen, als sie aufwachte und er fort war. Nur ein Zettel lag auf dem Kissen neben ihr, der den grauen Novembertag in ein gähnendes schwarzes Loch verwandelte.
Libby,
ich bin zutiefst beschämt, dass ich deine Dankbarkeit in Bezug auf das Feuer so ausgenutzt habe. Und auch den unvergesslichen Moment, als du deinen Spitznamen aus der Kindheit auf dem Boot gesehen hast.
Ich habe dich in deiner Abgeschiedenheit gestört, nach der du dich so gesehnt hast, und dies dann auch noch zu meinem Vorteil ausgenutzt. In dem Augenblick erschien es mir als das einzig Richtige. Aber als ich in der Morgendämmerung wach wurde und dich neben mir schlafen sah, war ich mir nicht mehr so sicher. Das, was passiert ist, ist überhaupt nicht so gelaufen, wie ich es geplant hatte. Ich hoffe, du verstehst das, und wir können trotzdem weiterhin Freunde bleiben.
Pass hier draußen gut auf dich auf und zünde keine Lagerfeuer mehr an.
Nathan
Nachdem sie die Nachricht gelesen hatte, ließ Libby sich in die Kissen zurückfallen. Sie war so fassungslos, dass sie nicht einmal weinen konnte. Das sollte doch wohl nicht etwa heißen, die vergangene Nacht wäre ein One-Night-Stand gewesen, der bloß aufgrund ihrer Verletzlichkeit stattgefunden hatte? Und jetzt war Nathan weg und hinterließ nur einen Zettel, anstatt ihr ins Gesicht zu sagen, dass er immer noch nicht bereit war, sich zu binden?
Sie sollten Freunde bleiben? Na schön. Allerdings nur, wenn Toby in der Nähe war, und in der Praxis. Ansonsten existierte Nathan für Libby nicht mehr. Er gab ihr das Gefühl, billig zu sein, aber das war sie ganz sicher nicht!
Nathan hatte die Insel um sechs Uhr mit gedrosseltem Motor verlassen, um Libby nicht zu wecken. Sobald er jedoch weit genug entfernt war, fuhr er mit voller Geschwindigkeit zum Liegeplatz und nahm sich von dort aus ein Taxi zurück ins Dorf. Zu Hause duschte er und zog sich um, ehe er Toby abholen und zur Schule bringen wollte.
Hastig frühstückte er vorher noch schnell. Inzwischen hatte Libby seine Nachricht bestimmt gelesen, und Nathan hoffte inständig, dass sie verstand, was er ihr damit sagen wollte.
Er hatte sie so sehr begehrt, und als sie gestern Abend auf diese Weise reagierte, hatte er sich einfach dem Augenblick hingegeben, mit ihr geschlafen, und es war fantastisch gewesen. Aber danach hatte er sich gewünscht, er hätte sich nicht so von seinen Gefühlen mitreißen lassen, sondern lieber gewartet, so wie er es ursprünglich vorgehabt hatte. Damit Libby ihm vertraute und nicht glaubte, er könnte ihr erneut das Herz brechen. Inzwischen fürchtete er jedoch, dass er mit seiner Nachricht genau das erreicht hatte.
Toby erzählte begeistert davon, was Großvater Gallagher und er alles am Fluss unternommen hatten, als Nathan ihn abholte.
John, der von der geplanten Überraschung wusste, meinte halblaut zu seinem Sohn: „Du siehst ein bisschen bedrückt aus. Hast du das Boot gekriegt?“
„Ja.“ Nathan zwang sich zu einem Lächeln. „Nach der Schule zeige ich es ihm. Willst du auch mitkommen?“
„Nein, da solltet ihr beide alleine sein“, antwortete John. „Ich werde heute erst mal gemütlich die Füße hochlegen. Dein Junge hält einen ganz schön auf Trab, aber ich habe ihn wirklich gerne bei mir. Er verleiht meinem Leben einen neuen Sinn. Und du gibst ihm alles, was du kannst, damit er glücklich ist. Abgesehen vielleicht von einer Frau, die ihm die Mutter ersetzen könnte.“
„Tja, leider werden die nicht im Supermarkt verkauft“, entgegnete Nathan.
„Ist wohl auch besser so“, gab sein Vater trocken zurück. „Er redet viel von Libby. Gibt es in der Richtung irgendwas, worauf er und ich uns freuen können?“
„Früher wäre vielleicht
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