Julia Arztroman Band 62
eine von ihnen war, hatten sie in der ganzen Zeit immer zu ihr gehalten und sie unterstützt.
Es würde ihnen großen Kummer bereiten mitzuerleben, wie Libby einen weiteren solchen Fehler beging. Wenigstens hatten Nathans überstürzter Abgang von der Insel und seine Nachricht ihr wohl zumindest das erspart.
Bei ihrer Rückkehr fand sie ihr Häuschen so vor, wie sie es verlassen hatte, schön eingerichtet und sauber, aber seelenlos. Nebenan gab es keinerlei Anzeichen von Leben, was an einem Samstagvormittag allerdings nicht weiter überraschte. Nathan war vermutlich entweder zum Einkaufen gefahren oder mit Toby in den Park gegangen. Das bedeutete, Libby hatte noch etwas Gnadenfrist bis zu ihrer nächsten Begegnung mit ihm.
Doch sie irrte sich. Als sie ins Dorf ging, um ein paar frische Lebensmittel zu besorgen, hörte sie Musik. Sobald sie um die Ecke zu dem Dorfplatz mit dem Rathaus kam, wurde ihr schlagartig bewusst, dass es nur noch wenige Wochen bis Weihnachten waren.
Eine Volkstanzgruppe in bunten Gewändern und mit klimpernden Glöckchen führte ihre Tänze auf, und dahinter fand der jährliche Weihnachtsmarkt statt.
Libby blieb stehen, um den Tänzern zuzuschauen, da erblickte sie plötzlich Nathan und Toby in der Menschenmenge auf der anderen Straßenseite. Sie wollte sich gerade abwenden, doch genau in diesem Moment hörte sie den Kleinen rufen: „Da ist Libby!“
Freudestrahlend kam er auf sie zu, während Nathan sie mit ernster Miene ansah. Libby wäre am liebsten weggelaufen, aber Toby konnte schließlich nichts dafür, dass sie so auf seinen Onkel fixiert war.
„Na, wie geht’s meinem hübschen Jungen heute?“, fragte sie lachend. „Was hast du die ganze Zeit gemacht, als ich weg war?“
„Das will ich dir doch erzählen“, antwortete er aufgeregt. „Wir haben ein Boot, Libby!“
Sie machte ein entsprechend überraschtes Gesicht. „Wow! Seit wann das denn?“
„Montag nach der Schule“, meinte Nathan.
„Und rate mal, wie es heißt!“, sagte Toby.
„Keine Ahnung. Verrätst du es mir?“, meinte sie. Als wäre es ihr nicht unauslöschlich ins Gedächtnis eingeprägt.
„Es heißt ‚Pudding‘“, erklärte er wichtig. Dann drehte er sich zu Nathan um. „Darf Libby das nächste Mal mitkommen, wenn wir damit fahren?“
„Natürlich. Das heißt, falls sie möchte. Zum Beispiel morgen früh?“, schlug dieser vor.
„Toby kann ich doch keinen Wunsch abschlagen“, antwortete sie. „Irgendwo müsste ich auch noch eine Rettungsweste haben.“
Es wäre so schön, Libby für immer in Tobys Leben zu haben, dachte Nathan. Sie könnte dem Jungen genau das geben, was er brauchte. Es war offensichtlich, wie sehr sie den Kleinen liebte. Aber würde sie ihn auch im Doppelpack mit Nathan akzeptieren? Nach dem frostigen Ton zu urteilen, wenn sie gerade nicht mit Toby sprach, wäre die Antwort darauf mit Sicherheit ein Nein.
Eine Zweckehe käme für sie niemals infrage, das hatte sie ihm an dem Abend im Krankenhaus eindeutig zu verstehen gegeben. Den Jungen würde sie immer lieben, Nathan hingegen wohl kaum. Es sei denn, er könnte sie davon überzeugen, dass er nur so vorsichtig ihr gegenüber war, weil er sie schon einmal schroff abgewiesen hatte und ihr jetzt Zeit lassen wollte.
Aber vielleicht hatte er bisher auch zu sehr den Unbeteiligten gespielt und sie dadurch aufs Neue verletzt.
Von Natur aus war er ein Mann, der handelte, und kein Zauderer. Als er seine Aufmerksamkeit wieder Libby und Toby zuwandte, die sich fröhlich unterhielten, fand Nathan, sein Versuch, behutsam vorzugehen, hatte lange genug gedauert.
Da meinte Libby: „Ich muss jetzt leider weiter. Da meine Speisekammer total leer ist, bin ich zum Einkaufen hergekommen. Wir sehen uns dann morgen früh. Aber ich wollte noch wissen, wie es deinen Händen geht, Nathan. Sind sie gut verheilt? Ich hab mich die ganze Woche gefragt, ob du wohl doch noch zur Notaufnahme musstest.“
„Nein, meine Hände sind wieder in Ordnung.“ Damit sie sich selbst davon überzeugen konnte, streckte er sie vor sich aus und bemerkte trocken: „Du hättest ja anrufen können.“
„Du auch“, entgegnete sie. „Aber vielleicht war es ja auch besser so. Sonst hätten wir möglicherweise Dinge gesagt, die wir hinterher bereut hätten.“
„Zum Beispiel?“
Toby war glücklicherweise abgelenkt von all den Dingen, die um ihn herum vor sich gingen.
Daher antwortete Libby mit halblauter Stimme: „Zum Beispiel, wie es möglich ist, dass du
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