Julia Bestseller Band 144
bedeutet als ihm. Wie Tante Em richtig gesagt hatte, er hätte die Mittel gehabt, zu ihr, Beth, zu kommen, wenn er es gewollt hätte. Heute hatte er sie rein zufällig aufgegriffen, eine Fremde, die ihm die Langeweile vertreiben sollte. Oder steckte doch mehr dahinter? Spürte er unbewusst vielleicht den Ruf der Vergangenheit, eine Anziehung, die ihn jenseits aller vernünftigen Überlegungen zu ihr hinzog?
Beth strich mit dem Daumen sacht über seine Finger und wünschte sich, sie wäre eine Wahrsagerin, die kraft der Berührung mit ihm in die Zukunft blicken könnte. Seine Hand fühlte sich warm an, obwohl dieser Septemberabend recht kühl war. Woher stammte seine elektrisierende Ausstrahlung, die sie so unmissverständlich spürte?
Sie bogen in eine der typischen schmalen, von Bäumen gesäumten Straßen ein, schlenderten vorbei an den kunstvollen schmiedeeisernen Zäunen, die die vorderen Veranden der Häuser zum Gehsteig abgrenzten. Woollhara zählte zu den alten Bezirken Sydneys. Mit seiner Nähe zum Stadtzentrum und dem Hafen war es seit Neuestem wieder in Mode gekommen, sodass die Häuser entsprechend den Bedürfnissen wohlhabender Leute luxussaniert worden waren. Beth war hier schon am Nachmittag durch die Straßen gewandert und hatte sich die Gegend angesehen, während sie mit sich gekämpft hatte, ob sie sich in die private Vernissage in der Galerie einschleichen sollte oder nicht.
Wer hätte geglaubt, dass sie wenige Stunden später Hand in Hand mit Jamie – mit Jim – durch diese Straßen gehen würde? Unwillkürlich lachte sie hell auf.
„Was ist so lustig?“, fragte Jim sofort.
Ihre Augen blitzten übermütig. „Ich kann es nicht glauben, dass ich einfach so mit Ihnen zusammen bin.“
Sein glühender Blick warnte sie, dass dies kein Kinderspiel zwischen ihnen war. Beth durchzuckte es heiß. Sollte sie der Sache ein Ende setzen?
Jim war neben einem der am Straßenrand geparkten Autos stehen geblieben und ließ ihre Hand los, um die Beifahrertür aufzuschließen. Mit angehaltenem Atem betrachtete Beth den Wagen. Das war die Wirklichkeit. Ein schwarzer Porsche, flach, dunkel, bedrohlich. Steig nie zu einem Fremden ins Auto! schoss es Beth durch den Kopf.
Jim Neilson hielt die Tür für sie auf. Wenn sie diesen Schritt machte … Warum hatte sie plötzlich das Gefühl, am Rand eines schwarzen, gefährlichen Abgrunds zu stehen? Unschlüssig verharrte sie wie gelähmt.
„Sie werden doch jetzt nicht feige?“, spöttelte Jim.
Sie blickte ihm ins Gesicht, hörte im Geiste Jamie, der sie herausforderte, so mutig wie er zu sein. Ihr Herz pochte, und sie war hin- und hergerissen zwischen Angst und dem Wunsch, sich Jamies Respekt und Bewunderung zu verdienen. Nur, dies war Jim Neilson, und sie war für ihn eine Fremde. Wie konnte sie seinen Respekt und seine Bewunderung erringen, wenn sie sein Spiel mitmachte?
„Pass auf!“ Ehe sie richtig begriff, legte er einen Arm um sie und presste sie derart an sich, dass jeder Widerstand zwecklos war. Mit seiner freien Hand fasste er ihr unters Kinn und zwang Beth, ihn anzusehen. „Ein kleiner Appetitanreger …“, versprach er verheißungsvoll und nahm energisch von ihren Lippen Besitz. Beth, die überrascht nach Luft schnappte, spürte im nächsten Moment das unglaublich verführerische, erotische Liebesspiel seiner Zunge und wurde von ihrer unmittelbaren Reaktion überwältigt. Es war, als hätte Jim Neilson einen verborgenen Auslöser betätigt, und ihre zu lange verleugneten, schlummernden sexuellen Wünsche drängten mit aller Macht nach Erfüllung.
Eine Flut von Gefühlen wallte in ihr auf: der Zorn darüber, so lange auf diese Erfahrung gewartet zu haben, die Enttäuschung darüber, dass er nie zu ihr zurückgekommen war, sie nie eingeladen hatte, sein neues Leben mit ihm zu teilen, eine heftige Eifersucht auf all die Frauen, die es in seinem Leben gegeben haben musste, das brennende Verlangen, alles, was er ihn nun anbot, zu nehmen und bis zur Neige auszukosten … und dafür zu sorgen, dass er sie bis ans Ende seines Lebens nicht mehr vergessen würde, ob er es wollte oder nicht.
Beth krallte die Finger in sein dichtes schwarzes Haar und erwiderte seinen Kuss mit ungezügelter Leidenschaft. Man konnte es kaum einen Kuss nennen, eher einen wilden, heftigen Schlagabtausch auf dem Schlachtfeld der Leidenschaft, wobei jeder von ihnen danach strebte, dem anderen Zugeständnisse abzugewinnen.
Jim Neilson wollte, dass sie sich ihm unterwarf, doch
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