Julia Bestseller Band 144
Verstummen. Wusste Jim Neilson, wonach er schrie?
Tante Em klopfte prüfend an den Türrahmen. „Es wäre vielleicht klug, beim Auktionator nachzufragen, ob es ein Gutachten über Termitenbefall gibt.“
„Ja“, pflichtete Beth ihr geistesabwesend bei.
Am liebsten hätte sie laut losgeschrien, als sie nun gemeinsam mit ihrer Tante einen Rundgang durch das Haus machte. Es sah aus, als hätten die Vandalen darin gehaust. Abgesehen von den zerbrochenen Fensterscheiben, waren sämtliche Deckenlampen herausgerissen, in manchen der Innenwände klafften große Löcher, und von den Installationen in Bad und Küche war kaum noch etwas übrig. Aber immerhin ergab ihre Nachfrage beim Auktionator, dass das Haus von der Substanz her solide war. Keine Termiten.
Beth und Tante Em suchten sich für ihr Picknick einen schönen Platz am Ufer des Bachs. Beim Essen überschlug Beth, wie viel die Instandsetzung der alten Farm kosten würde, denn diese Summe musste sie von ihrem geplanten Höchstgebot abziehen. Ihre Einkünfte aus dem Verkauf der Kinderbücher, die sie schrieb, waren regelmäßig, aber keineswegs astronomisch, und ihr Finanzierungsplan für die Ersteigerung der Farm war knapp kalkuliert. Wenn das, was sie sich als Grenze gesetzt hatte, nicht genügte …
Das dumpfe Dröhnen eines Sportwagenmotors lenkte sie von ihren Überlegungen ab. Ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen, als sie einen schwarzen Porsche vor dem Farmhaus vorfahren sah. Unmöglich. Er würde niemals hierherkommen. Mit angehaltenem Atem wartete sie, wer aus dem schnittigen Wagen steigen würde.
Der Porsche parkte neben den übrigen Autos, die Fahrertür öffnete sich. Es war Jim Neilson, der ausstieg, unverkennbar seine athletische Figur, die breiten Schultern, das kurze dunkle Haar, das markante Profil. Beth betrachtete ihn ungläubig und erschrocken.
„Wer ist das?“, fragte Tante Em, offenbar neugierig geworden durch die angespannte Aufmerksamkeit, mit der ihre Nichte den Neuankömmling beobachtete.
Früher oder später würde Tante Em ihn sowieso wiedererkennen. Bei der Vorstellung, dass ihre Tante von ihrer gemeinsamen Liebesnacht erfahren könnte, schoss Beth das Blut heiß in die Wangen. Aber sicher wäre ihm das genauso unangenehm wie ihr. Was mochte sein Auftauchen hier bedeuten? Widerstrebend sah sie ihre Tante an. „Es ist Jim Neilson.“
„Jamie?“, fragte Em überrascht und schaute genauer hin. „Er geht auf das Haus zu.“ Sie schüttelte verwundert den Kopf. „Warum sollte er an diesem Anwesen interessiert sein?“ Ihr Blick richtete sich forschend und durchdringend auf Beth.
„Keine Ahnung.“ Beth nahm sich ein Stück Orangenkuchen. Zwar war ihr der Appetit restlos vergangen, aber es schien ihr die beste Möglichkeit, bohrenden Fragen auszuweichen. Wie sollte sie wissen, was in Jim Neilsons Kopf vor sich ging? Sie wollte gar nicht darüber nachdenken. Stattdessen konzentrierte sie sich scheinbar auf die Zahlen auf ihrem Notizblock und überließ es ihrer Tante, zu denken, was sie wollte.
Die Ungewissheit währte nicht lange.
„Nun, lange war er aber nicht im Haus …“
Beth überhörte Tante Ems Bemerkung.
„Er schaut in unsere Richtung, Beth!“ Es klang aufgeregt, erfreut, erwartungsvoll. „Er kommt herüber!“
Ahnungsvoll blickte Beth auf. Kein Zweifel, Jim Neilson kam wirklich auf dem kürzesten Weg zu ihnen. Beth begegnete seinem Blick, und ihr Herz krampfte sich zusammen.
„Er muss dich erkannt haben“, rief Tante Em.
„Nein.“ Beth sah ihre Tante trotzig an. „Ich habe ihm doch gesagt, wer ich bin, und ihm auch erzählt, dass ich zu der Auktion komme.“
Tante Em schwieg einen Moment verwirrt. „Warum hast du mir das nicht erzählt?“, fragte sie dann.
„Nun, seine Reaktion war nicht gerade … erfreut.“ Eine gewaltige Untertreibung.
„Dann … muss er es sich anders überlegt haben.“
„Ich nehme an, das werden wir gleich erfahren.“
Beth sah, dass ihre Tante bei ihrem harten Ton aufhorchte, aber das war ihr egal. Jim Neilson würde ihr nicht noch einmal unter die Haut gehen. Auch sie konnte sich eine Rüstung zulegen, die seiner durchaus ebenbürtig war.
„Beth.“
Nur ein Wort. Ruhig und gelassen ausgesprochen mit dieser unbeschreiblich aufregenden, tiefen Stimme. Für Beth klang es wie ein Befehl, ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.
Betont langsam ließ sie den Blick über ihn schweifen. Schwarze Reeboks, schwarze Jeans, ein kragenloses weißes Leinenhemd,
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