Julia Bestseller Band 146
portugiesische Vorfahren das Land für sich in Besitz genommen und dieses Haus erbaut hatten, herrschte auf diesem Land ein Marques.
Und nun stand sie hier, die letzte Marques in einer langen Linie, und musste mit ansehen, wie der Name, das Land und der Stolz der Familie zugrunde gingen.
„Dein Vater hätte dich schon vor Jahren die Leitung übernehmen lassen sollen“, meinte der Anwalt. „Dann würdest du jetzt nicht so in der Klemme stecken. Der Mann war ein starrsinniger alter Narr.“
Da war er wieder, dieser alles beherrschende Begriff – Machismo. Cristina verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. Die Männer in diesem Teil der Erde fragten ihre Frauen grundsätzlich nicht, wenn es um Entscheidungen ging. Auch ihr Vater hatte beide Augen vor der Realität verschlossen und lieber auf seinen Tod gewartet, bevor er auch nur eine einzige Entscheidung ihr überlassen hätte.
„Du brauchst dringend eine Finanzspritze, um die Ranch wieder auf Vordermann zu bringen, und zwar eine kräftige“, fuhr Rodrigo fort. „Das Angebot des Alagoas Konsortiums ist für deine Zwecke mehr als großzügig, querida .“
„Zu einem unmöglichen Preis.“
Das Konsortium wollte einen Teil des Landes von Santa Rosa abkaufen – Land, bewachsen mit subtropischem Urwald, der den Zugang zu einem schier endlosen, fantastischen Sandstrand blockierte. Dieser Urwald sollte gerodet und Hotelkomplexe sollten auf dem bis dato unberührten Land gebaut werden. Ein weiteres Stück Natur würde völlig zerstört werden.
„Es gibt immer einen Preis zu zahlen“, wandte Rodrigo bedrückt ein. „Gerade du solltest das wissen.“
Weil sie schon einmal einen hohen Preis bezahlt hatte, um Santa Rosa zu retten. Dieser „Preis“ war jetzt tot. Wie auch der Mann, der bereit gewesen war, seine Tochter zu verschachern, um sich dadurch noch ein paar Jahre mehr zu kaufen, in denen er sich nicht um die Realität kümmern musste. Cristina wusste, wer dieses Mal den Preis würde zahlen müssen, wenn sie das Angebot annahm: das Land und die Menschen, die darauf lebten.
„Wie viel Zeit habe ich bis zu einer Entscheidung?“
„Sie können es kaum erwarten, den Deal abzuschließen“, antwortete Rodrigo.
Cristina drehte sich zu ihm um und nickte. „Dann halte sie hin, solange du kannst. Ich werde mich ein letztes Mal an die Bank wenden.“
„Das hast du doch schon mehrere Male getan.“
„Und ich werde es so lange tun, bis mir wirklich keine Zeit mehr bleibt.“
„Du hast keine Zeit mehr, Cristina“, bemerkte Rodrigo düster. „Die Geier kreisen schon.“
„Trotzdem muss ich es versuchen.“ Fest entschlossen drehte Cristina sich wieder zum Fenster um. Rodrigo musterte ihre schlanke Figur.
Sie war auserlesen schön, eine Frau, der mit fünfundzwanzig die ganze Welt zu Füßen liegen sollte. Tatsächlich war sie einmal in dieser Situation gewesen.
Dann war etwas geschehen, und sie war weggelaufen. Über ein Jahr hatte man nichts von ihr gehört. Als sie zurückkam, war sie ein anderer Mensch geworden, hart, kalt, so als hätte jemand das Licht, das sie von innen heraus hatte strahlen lassen und sie zu dieser wunderbaren ungezähmten Kreatur gemacht hatte, erstickt. Innerhalb von Wochen hatte sie das Haus wieder verlassen – als Ehefrau von Vaasco Ordoniz, einem Mann so alt wie der Vater, der sie ohne jegliche Skrupel verkauft hatte.
Während des folgenden Jahres hatte sie in Rio gelebt, als die Ehefrau eines reichen alten Mannes. Der Häme der Schandmäuler hatte sie sich gestellt, ohne je ihre wahren Gefühle auch nur andeutungsweise zu offenbaren. Als Ordoniz krank wurde und sich vom Gesellschaftsleben auf seine Ranch zurückzog, war Cristina mit ihm gegangen. Zwei Jahre hörte oder sah man nichts von den beiden. Dann starb Ordoniz. Das gemeine Gelächter allerdings war nicht zu überhören gewesen, als sich herausstellte, dass der alte Mann still und heimlich sein Vermögen beim Glücksspiel verloren hatte und seine Ehefrau, die ja nur hinter dem Geld her gewesen sein konnte, völlig mittellos zurückließ. Dieses geldgierige Luder hatte sich also verrechnet und musste jetzt in das Haus ihres Vaters zurückkehren, um dort die Rolle als Dienstmädchen und Krankenschwester für den nächsten kranken alten Mann zu übernehmen.
Doch Cristina hatte nie ihren Stolz verloren. Diese schönen Augen hatten immer voller Würde und Unbeugsamkeit dem Leben entgegengeschaut. Rodrigo bewunderte und respektierte sie dafür, dass sie sich
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