Julia Bestseller Band 146
Drink ein und ging mit dem Glas hinaus auf die Dachterrasse.
Die Atmosphäre von Rio de Janeiro hüllte ihn ein, sobald er nach draußen trat. Seine Sinne reagierten sofort auf Geräusche und Gerüche und stellten etwas mit ihm an, das nur jemand nachvollziehen konnte, der lateinamerikanisches Blut in den Adern fließen hatte. Dieses rasante Beschleunigen, dieses intensive Pulsieren sollte ihn euphorisch stimmen, doch das tat es nicht. Im Gegenteil, er verabscheute es. Es war jetzt sechs Jahre her, seit er zum letzten Mal einen Blick auf den Zuckerhut hatte werfen können, und wenn es nach ihm ginge, würde es mindestens wieder sechs Jahre bis zum nächsten Mal dauern – falls überhaupt.
Einst hatte er Rio geliebt. In seiner Kindheit war diese aufregende Stadt für ihn ein Zuhause gewesen. Damals, als er regelmäßig mit seiner Mutter hergekommen war, und dann später, als er ein Jahr hier in der Zweigstelle der Scott-Lee-Bank gearbeitet hatte.
Hätte er es geahnt, wäre er in England geblieben. Dann hätte er Cristina nie kennengelernt und sich nicht in eine Lüge verliebt.
Noch eine Lüge.
Die Wut, die seit Wochen in ihm schwelte, flammte erneut auf. Anton ging zurück ins Zimmer und verschloss die hohen Flügeltüren, schloss damit die Geräusche und Gerüche Rios aus. Er entschied sich für eines der Schlafzimmer und packte seinen Koffer aus. Zehn Minuten später stellte er den Wasserhahn der großen, in den Boden eingelassenen Badewanne ab.
Ein Mann mit seiner Statur brauchte eine große Badewanne – knapp eins neunzig und fast alles reine Muskelmasse, der Mann, bei dem jeder Frau unwillkürlich ein sehnsüchtiger Seufzer entschlüpfte. Breite Schultern, schmale Hüften, lange Beine – ein Mann, der für die körperliche Liebe geschaffen war, der Stunden erotischer Freuden versprach. Er wusste es – wie auch seine Frauen es wussten.
Doch im Moment interessierte ihn nichts weniger. Er stieg in die Wanne und ließ sich in das heiße Wasser gleiten. Er war müde und missmutig und wünschte, er wäre irgendwo anders.
Mit einem Seufzer schloss er die Augen. Hätte er die Wahl, wäre er wahrscheinlich auf der anderen Seite des Globus’. Aber die Wahl war ihm genommen worden, durch das schlichte Einfügen eines Namens.
Cristina Marques.
Mit gerunzelter Stirn und zusammengepressten Lippen veränderte er seine Lage. In Gedanken fluchend wünschte er, sein Körper würde endlich aufhören, allein bei dem Namen zu reagieren.
Müde fuhr er sich über das Gesicht. Das heiße Wasser ließ seine Haut prickeln, aber gegen das unangenehme Gefühl der in den letzten zwölf Stunden gesprossenen Bartstoppeln half es nicht. Er hätte sich vorher rasieren sollen, hätte sich die Zähne putzen sollen.
Immerhin war er vorausschauend genug gewesen, sein Glas aufzufüllen. Er streckte den Arm aus, griff danach und nippte an dem Scotch. Der Whisky schmeckte auf jeden Fall besser als Zahnpasta und tat auch sicherlich mehr, um seine verspannten Muskeln zu lockern – wenn auch nicht die in seiner Lendengegend.
Er brauchte eine Frau – irgendeine Frau. Er hatte zu lange abstinent gelebt. Hatte sich bewusst nur auf die Arbeit konzentriert und sich in die Organisation dieser Reise gestürzt. Eine Frau wäre wahrscheinlich die beste Medizin, um ihn von dieser einen, die er nicht wollen wollte, zu kurieren. Vielleicht hätte er mit seinen Prinzipien brechen und Kinsellas Angebot annehmen sollen. Vielleicht war eine kühle, schlanke Blondine mit blauen Augen ja das perfekte Gegenmittel für das, was ihn quälte …
Nein. Er mochte die Geräusche und Gerüche ausgeschlossen haben, aber das rhythmische Pulsieren der Stadt hatte ihn erfasst. Das, was durch ihn hindurchvibrierte, konnte nur von einer heißblütigen Frau befriedigt werden, von dem warmen dunklen Typ mit glutvollen Augen.
Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Eine ansehnliche Oberweite sollte sie schon haben, festes Fleisch, an dem seine Augen, seine Finger und sein Mund sich ausgiebig weiden konnten …
Doch im Moment musste sein Mund sich mit einem Schluck Whisky zufriedengeben. Natürlich kein Ersatz für den wunderbaren Geschmack einer Frau, aber Anton ließ den Whisky trotzdem lange über seinen Gaumen rollen, während seine Traumfrau hinter geschlossenen Lidern Gestalt anzunehmen begann.
Dunkle Augen … ja. Verhangene Augen, in denen das Verlangen glühte, umrahmt von dichten dunklen Wimpern, die die sinnliche Lust halb verdeckten, wenn diese
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