Julia Bestseller Band 146
Onkel, der alt und geschlagen wirkte. Maximilians Gesundheit war nicht die beste, nach einem Herzinfarkt hatte er sich aus dem Bankgeschäft zurückziehen müssen, nur wenige Wochen nach dem Tode seines Bruders.
„Übernimm du die Zügel, Junge. Ich bin absolut sicher, dass du die Familie stolz machen wirst“, hatte er damals gesagt.
Wieder dieses Wort – Stolz.
Um auf jemanden stolz sein zu können, musste man ihn mit all seinen Fehlern und Makeln akzeptieren. Diese Menschen, die behaupteten, ihn zu lieben, hatten lediglich die Lüge geliebt, die sie selbst in die Welt gesetzt hatten, um den eigenen Stolz zu wahren.
Anton trat an den Schreibtisch zurück, der einst Sebastians gewesen war. Bei Sebastians Tod war aller Besitz – die Villa in Belgravia, das Familienanwesen in Ascot, die Aktienmehrheit an der Scott-Lee-Bank – an die Person übergegangen, die Sebastian mit Stolz seinen Sohn genannt hatte.
Aber Anton empfand im Moment alles andere als Stolz. Er fühlte sich betrogen, hintergangen, getäuscht. Vor ihm auf dem Schreibtisch lagen die Dokumente, die der Testamentsverwalter des Ramirez-Nachlasses ihm hatte zukommen lassen. Mit schlanken Fingern blätterte er die Papiere durch, bis er die eine Seite gefunden hatte, nach der er suchte.
„Da ist übrigens noch mehr“, sagte er und sah unter halb gesenkten Lidern, wie seine Mutter und sein Onkel sich versteiften. „Ich scheine nicht der einzige ahnungslose Idiot zu sein, den Ramirez auf sich zurückführt. Es gibt noch zwei andere wie mich. Zwei weitere Söhne.“ Zwei Halbbrüder mit ihren verlogenen Müttern. Er verzog verächtlich den Mund. „Angesichts des weitschweifigen Lebensstils, den Ramirez führte, könnten sie überall in der Welt sitzen.“
„Hat er nicht gesagt, wo?“
„Nein. Warum es einfach machen, wenn Rätsel und Geheimnisse doch viel amüsanter sind, nicht wahr?“, erwiderte Anton zynisch. Er lernte Ramirez bereits kennen, wie er feststellte. Und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Um genau zu sein, er hasste es.
„Aber er ist tot …“
„Stimmt.“ Anton nickte. „Trotzdem gehe ich jede Wette ein, er amüsiert sich gerade prächtig – auf meine Kosten und auf Kosten meiner Halbbrüder.“ Er holte scharf Luft. „Er hat uns drei Jahre lang beobachten lassen.“
Eine widerliche Vorstellung – über Jahre ausspioniert von einem unbekannten Voyeur. Ramirez hatte praktisch alles über Anton gewusst: von seiner schulischen und akademischen Laufbahn, von jedem einzelnen Pokal, den er in irgendeinem sportlichen Wettkampf gewonnen, von jedem verdammten Geschäft, das er abgeschlossen hatte. Sogar von jenen Trophäen, die Anton an einem anderen Ort gesammelt hatte – in seinem Bett.
„Er scheint seine Söhne für sexbesessen zu halten, gemäß dem Motto: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ Anton zeigte ein freudloses dünnes Lächeln. „Und in seiner unendlichen Weisheit, aus eigener Erfahrung gesammelt, will er meinen Brüdern und mir eine Lektion erteilen, die er offensichtlich nicht verstanden hat, bis es zu spät und er zu alt war, um noch etwas zu ändern.“
Er sah seine Mutter erbeben, als er bereits ganz selbstverständlich von „seinen Brüdern“ sprach. Seltsam, aber er spürte diese Vertrautheit tatsächlich, irgendwo tief in seinem Innern.
„Ramirez scheint über ein recht ansehnliches Vermögen verfügt zu haben“, fuhr Anton fort. „Und ich rede hier nicht von ein paar lächerlichen Millionen. Er besaß Diamantminen, Smaragdminen, einige der ergiebigsten Ölfelder Brasiliens.“ An den Gesichtern seiner Mutter und seines Onkels konnte er sehen, dass er ihnen nichts Neues mitteilte. Was ihn sich nicht unbedingt besser fühlen ließ. „Wir, seine drei Söhne, dürfen die Beute unter uns aufteilen. Aber nur, wenn wir die Bedingungen erfüllen, die unser aalglatter Feigling von einem Vater in sein Testament gesetzt hat.“
„Enrique war nicht aalglatt“, protestierte Maria.
„Nein? Sondern?“
„Galant, attraktiv – wie du –, charmant …“
Seine Mutter hing immer noch an diesem Mistkerl! Anton spürte, wie sich erneut Wut in ihm aufbaute.
Maximilian meldete sich. „Was sind das für Bedingungen?“
Anton kämpfte um Beherrschung. „Ich kann nur die nennen, die für mich gelten, mehr wird hier nämlich nicht erwähnt.“ Ein eigenartiges Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Ich werde angehalten, mein Leben als Schürzenjäger aufzugeben. Ich soll eine Ehefrau finden,
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