Julia Bestseller Band 146
Rosa gern von der Luft aus ansehen, solange es noch möglich ist.“
Die komplette Verweigerung, auch nur einen Millimeter nachzugeben, wie Cristina auffiel. Sie stand da, mit verschränkten Armen, darauf eingestellt weiterzukämpfen, doch dann erkannte sie mit einem Mal die Anzeichen von Erschöpfung in seinem Gesicht. Und gab auf – für den Moment.
Starrsinnig konnte sie später immer noch sein. Sie ging, um Pablo zu suchen, und instruierte ihn, Luis’ Tasche ins Haus zu tragen. Pablo warf einen düsteren Blick auf Luis, nickte dann aber. Nahm auch das Jackett an, das Luis ausgezogen hatte und dem Mann mit einem höflichen „Danke“ überreichte.
Nach diesem Erkundungsflug wird die ganze Gegend wissen, dass ich von einem Mann überrumpelt worden bin, dachte sie, während sie zum Truck ging und eine Flasche Mineralwasser aus der Kühltasche hervorholte. Stumm reichte sie Luis die Flasche, der mit großen Zügen auf dem Weg zum Helikopter trank. Keine zehn Minuten später waren sie in der Luft, und Cristina erklärte mit leiser Stimme, was sie unter sich sahen. Luis hörte aufmerksam zu, stellte Fragen und flog den Hubschrauber, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan.
Anton bemerkte, wie ihre Stimme sanfter wurde, während sie das Land beschrieb. Er konnte verstehen, wieso. Santa Rosa war ein einzigartiges Anwesen voller atemberaubender Kontraste.
Sie flogen über weites offenes Land mit Viehherden, dann wechselten die Pampas zu grünen, üppigen Weiden, durchzogen von silbern glänzenden Flüssen. Cristina wies ihn an, über einen Hügel in das nächste Tal zu fliegen, in dem zahllose kleine weiße Häuser mit einem eigenen Stück Land standen.
„Gehört das auch zu Santa Rosa?“
Cristina nickte. „In diesem Tal will das Alagoas-Konsortium die Verbindungsstraße zur Autobahn anlegen.“
Anton brauchte nicht erklärt zu werden, was das für die Menschen bedeutete, die dort unten lebten, wenn die Landentwickler ihr Vorhaben durchsetzen konnten.
Dann dirigierte Cristina ihn über die andere Seite des Tales hinaus, und Anton wusste sofort, warum sie ihn hierher gebracht hatte. Vor ihnen lag der Regenwald wie eine dunkelgrüne Wand. Majestätisch, unbesiegbar, immerwährend … so wollte man glauben. Er erkannte sofort, warum dieses Land so wertvoll für das Konsortium war. Ein breiter Fluss bahnte sich seinen Weg durch den Dschungel, Meile um Meile, um dann in der azurblauen See zu münden, gesäumt von einem makellos weißen Sandstrand.
„Das ist es?“, fragte er, während er dem Lauf des Flusses mit dem Helikopter folgte.
„Sim.“
„Der Bankier in mir sagt, dass du auf einer Goldmine sitzt, Cristina. Der Mensch in mir schreit auf, was für ein schreckliches Verbrechen an der Natur es wäre, dies hier zu zerstören.“
Cristina erwiderte nichts darauf. Und so schwiegen sie beide auf dem Rückflug.
Der Hubschrauber setzte auf der Weide hinter dem Haus auf, aber nicht eher, bis Anton zweimal um das zweistöckige Herrenhaus gekreist war. Er machte keine Bemerkung über den bedauernswerten Zustand des Gebäudes, doch seine Lippen waren nur ein dünner Strich, als er landete.
Die Hitze des Nachmittags war unerträglich – ebenso wie das Schweigen, das zwischen ihnen herrschte, als sie an den verwitterten Scheunen vorbeigingen. Das Haus selbst war von einer niedrigen weißen Mauer umgeben, ein offener Torbogen führte in einen Garten, der einst sehr schön gewesen sein musste, doch jetzt, wie auch das Haus, die Spuren der Vernachlässigung aufwies.
Keine Menschenseele begegnete ihnen.
„Es ist sehr ruhig hier“, stellte Anton fest.
„Siesta“, erwiderte Cristina.
Eine reizvolle Idee, dachte er, behielt es jedoch für sich.
Sie betraten das kühle Haus. Wortlos führte Cristina Anton durch die Eingangshalle mit der hohen Decke und die geschwungene breite Treppe hinauf, während er sich umsah und den einst eleganten, doch jetzt teils abgeschlagenen Fliesenboden bemerkte, die großen Ölgemälde an den Wänden, die so stark nachgedunkelt waren.
Cristina ging voran zu dem einzigen Gästezimmer, das von den insgesamt zwölf noch zu benutzen war, und war erleichtert, dass Pablo genügend Geistesgegenwart besessen hatte, Antons Tasche hierher zu bringen.
„Dort ist das Bad.“ Cristina zeigte auf die Verbindungstür. Ihr Ton war kühl und sachlich und ließ nichts von dem Tumult erahnen, der sich in ihr abspielte. „Ich werde einen Imbiss anrichten.“ Damit drehte sie sich um
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