Julia Collection Band 09
seinen Ausweis und führte Annie dann einen langen Flur entlang und in eine riesige Arena. Annie bemerkte einen breiten Korridor zu ihrer Linken und Schilder, die auf die Trainingsräume hinwiesen. Zu ihrer Rechten standen einige der größten und einschüchterndsten Tiere friedlich in einem Labyrinth transportierbarer Boxen herum.
„Könnten ich bitte meine Brille haben?“, fragte Annie. Als sie sie aufsetzte, schnappte sie erschrocken nach Luft. „Sind das die Tiere, die Curtis reitet und mit denen Sie kämpfen?“, fragte sie erschaudernd.
Er lächelte. „Genau. Das sind die besten Rodeostiere der Welt.“
Sie starrte die riesigen Tiere sekundenlang an und dann den attraktiven Cowboy, der sie unbekümmert anlächelte. „Sie und Curtis sind beide nicht mehr bei Verstand. Darf ich fragen, wie oft Sie in letzter Zeit eine Gehirnerschütterung hatten?“
Nachdem sie sich am Büfett bedient hatten, das für die Reiter und ihre Gäste im VIP-Saal zur Verfügung gestellt wurde, hatte Burt Annie zu den Sitzplätzen gebracht, die für Verwandte und Freunde der PBR-Mitglieder reserviert waren, und ließ sie dann allein, um sein Kostüm anzuziehen. Annie sah nachdenklich auf die riesige Arena hinunter und fragte sich, ob es nicht doch sie war, die den Verstand verloren hatte. Sie war nie besonders impulsiv oder abenteuerlustig gewesen, aber in den vergangenen vierzehn Stunden hatte sie Dinge getan, die sie vorher nicht einmal zu denken gewagt hätte – und von denen ihre Großmutter hoffentlich niemals erfahren würde.
Sie schüttelte den Kopf. Wenn Carlotta Whittmeyer jemals herausbekam, dass ihre Enkelin mehrere Stockwerke hoch auf dem schmalen Sims eines Hotels balanciert hatte und dann die Nacht in der Suite eines wildfremden Mannes verbracht hatte, würde sie es nie verzeihen.
Aber sie nahm es ihrer Großmutter nicht übel, dass sie so überfürsorglich war. Sie fürchtete, dass ihre Enkelin die Abenteuerlust ihrer Eltern geerbt haben könnte. Carlotta hatte den schlimmsten Albtraum einer Mutter erleben müssen. Sie hatte ihre Tochter, ihr einziges Kind, verloren.
Seit dem Tag, als sie sich im College kennengelernt hatten, bis zu ihrem viel zu frühen Tod acht Jahre später, hatten Christine und Jack Devereaux nach dem Motto gelebt, dass man im Leben aktiv Erfahrungen sammeln musste und nicht nur von den Seitenlinien aus zuschauen durfte.
Sie waren leidenschaftliche Bergsteiger, erforschten Höhlen und machten Fahrten auf den wildesten Flüssen. Und wenn sie nicht gerade an irgendeinem entlegenen Teil der Welt ihrer Leidenschaft für gefährliche Sportarten frönten, dann planten sie ihre nächste Reise. Sie hatten sogar Annie einige Male mitgenommen.
Wenn sie am Leben geblieben wären, hätten sie diese Liebe fürs Abenteuer vielleicht an Annie weitergegeben. Aber ein Unfall bei einer Wildwasserfahrt hatte ihnen das Leben genommen, als Annie gerade fünf Jahre alt gewesen war. Danach war sie zu ihrer Großmutter gekommen.
Annie erinnerte sich noch, als wäre es gestern gewesen, wie verwirrt und ängstlich sie gewesen war, weil man sie zwang, bei einer Großmutter zu leben, die sie kaum kannte. Sie litten beide unter ihrem fürchterlichen Verlust und hätten sich gegenseitig mit Liebe und Trost über diese schwierige Zeit hinweghelfen sollen. Aber statt ein kleines Mädchen zu trösten, das nicht verstehen konnte, warum es seine geliebten Eltern niemals wiedersehen würde, hatte Carlotta ihr einen Vortrag über die Dummheit gehalten, gefährliche Risiken einzugehen. Das war neunzehn Jahre her, und ihre Großmutter hatte keinen Tag vergessen, Annie an den hohen Preis zu erinnern, den man für Leichtsinn und Impulsivität zahlen musste.
Annie seufzte. Sie war ziemlich sicher, dass ihre Großmutter sie liebte und die Situation, so gut sie konnte, gemeistert hatte. Aber sie dachte oft, dass ihre Beziehung ganz anders hätte sein können.
„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze?“ Eine weibliche Stimme brachte sie wieder in die Gegenwart zurück.
Annie sah auf. Ein hübsches Mädchen von etwa zwanzig mit kastanienbraunem Haar stand neben ihr. „Natürlich nicht“, sagte sie lächelnd. „Ich freue mich über etwas Gesellschaft.“
„Ich bin Kaylee Simpson“, sagte das Mädchen und setzte sich.
„Freut mich, Kaylee. Ich bin Ana … Annie.“
Die Lichter gingen plötzlich aus, und ein einzelner Scheinwerfer war auf einen Cowboy gerichtet, der im Zentrum der mit Sand bedeckten Arena
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