Julia Collection Band 09
dabei zuzuschauen? Und wenn nun Komplikationen eintraten?
Er schluckte nervös. Er wusste nur allzu gut, was passieren konnte, wenn bei einer Geburt etwas schiefging. Im Alter von sieben Jahren hatte er seine Mutter verloren – sie war bei der Geburt seines jüngsten Bruders Curtis gestorben. Und das, obwohl sie im Krankenhaus gewesen war.
Der Schmerz ließ nach, und Samantha atmete tief durch. „Ich muss versuchen, mich zu konzentrieren“, sagte sie mit entschlossener Stimme. „Wenn ich das schaffe, wird es leichter für uns.“
Morgan war nicht sicher, ob sie das sagte, um ihn davon zu überzeugen oder sich selbst. Aber im Augenblick war das nicht wichtig. Seine größte Sorge war, es ihr so bequem wie möglich zu machen und dann alles herbeizuholen, was er brauchen würde.
„Warum setzen Sie sich nicht ans Feuer, während ich das Sofa hier herüberschiebe? Dann können Sie sich darauf legen.“
„Sie haben das nicht zufällig schon mal gemacht?“, fragte sie. Ihr hoffnungsvoller Ton verursachte Morgan ein flaues Gefühl im Magen.
Er antwortete nicht, sondern zog den Überwurf von dem schäbigen grünen Sofa, warf ihn auf einen Stuhl und schob das schwere Möbelstück näher an den warmen Kamin heran. Er hatte in seinem Leben Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Babys auf die Welt gebracht. Aber keins davon war menschlich gewesen. Und irgendwie glaubte er nicht, dass Samantha Peterson allzu beeindruckt sein würde von seinen Fachkenntnissen als Geburtshelfer bei Rindern. Wenn er Glück hatte, würde sie ihn nicht wieder fragen, und er würde es ihr nicht zu sagen brauchen.
„Was ist? Haben Sie oder haben Sie nicht?“, beharrte sie.
Morgan hätte fast lauf aufgestöhnt. Warum konnte sie nicht einfach Ruhe geben und das Unvermeidliche akzeptieren? Er war die beste und einzige Hilfe, die sie kriegen würde. „Ja und nein.“ Er breitete eins der Laken aus, die er aus ihrem Wagen genommen hatte, und legte es zusammen mit einigen Kissen auf das durchgesackte Sofa. „Wenn Sie die Kälber und Fohlen zählen, bei deren Geburt ich geholfen habe, dann habe ich es schon oft genug gemacht.“ Er half ihr beim Aufstehen und führte sie zum Sofa. „Wenn nicht, dann ist meine Antwort leider negativ.“
Samantha setzte sich abrupt und verfiel wieder in den tranceartigen Zustand, in dem er sie vorhin vorgefunden hatte. Fasziniert sah er ihr dabei zu, wie sie tief und regelmäßig einatmete und leicht ihren dicken Bauch massierte, während sie die Krempe seines Huts anstarrte. Ihre zarten Wangen färbten sich tiefrosa, aber ihre feste Entschlossenheit, den Schmerz auszuhalten, zeigte sich in der Haltung ihres eigensinnigen kleinen Kinns und ihrer unerschütterlichen Konzentration.
Als sie wieder aus ihrer Trance herauskam, sah sie zu ihm auf und fuhr fort zu reden, als wäre nichts geschehen. Es war das Unglaublichste, was er je gesehen hatte.
„Ich habe ein Buch über Schwangerschaften in meiner Tasche. Ich glaube, dort gibt es Anweisungen für den Notfall und was für Dinge man dafür braucht.“ Sie biss sich nervös auf die Unterlippe. „Ich hoffe, Sie haben ein schnelles Auffassungsvermögen.“
Wenn es etwas gab, das einem eindeutig verriet, aus welchem Stoff ein Mensch gemacht war, dann war das seine Art, auf eine schwierige Situation zu reagieren. Morgan musste zugeben, dass die zierliche Person, die es sich gerade in den Kissen auf dem alten Sofa bequem zu machen versuchte, wirklich eine große Portion Mut besaß.
Ihr Blick verriet ihm, dass sie außer sich vor Angst war. Aber sie presste ihre schönen Lippen zusammen, fest entschlossen, nicht in Panik zu geraten. Was auch passieren mochte, sie würde damit fertig werden.
Er schenkte ihr das beruhigendste Lächeln, das er unter den Umständen zu Stande bringen konnte, und reichte ihr ihre riesige Tasche. „Holen Sie das Buch heraus. Ich kümmere mich schon um alles andere.“
Sie kramte das Buch heraus, legte es in seine Hand und fiel wieder in einen tranceartigen Zustand, so wie bei der letzten Wehe. Morgan überflog inzwischen hastig das Inhaltsverzeichnis des Buchs und suchte nach Anweisungen zu Heimgeburten.
Dann las er den ersten Eintrag. Einen Krankenwagen zu rufen kam nur leider nicht infrage für sie. Er ging schnell zum zweiten Eintrag über, der ihm riet, um Hilfe zu rufen, wenn möglich.
Morgan wurde langsam ungeduldig. Als er den dritten Hinweis las, musste er schlucken und warf Samantha einen Blick zu, als sie wieder zurück
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