Julia Collection Band 09
In den Anweisungen hieß es, dass er sie ermutigen sollte, damit sie ruhig blieb. Er wusste nicht, wie zum Teufel er das schaffen sollte, aber er würde es tun, selbst wenn es ihn umbrachte. „Sie sind in der Zielgeraden, Süße. Es dauert nicht mehr lange.“
Neuer Schmerz ließ sie zusammenzucken, sie packte seine Hand fester. Sie wollte etwas sagen, aber nur ein Stöhnen kam heraus. Es zerriss ihn innerlich, sie so leiden zu sehen und nicht helfen zu können. „Sehen Sie mich an, Samantha.“
Ihr Atem kam keuchend. Sie schüttelte den Kopf. „Es ist … zu schwer“, sagte sie, und ihre Stimme brach.
„Kommen Sie, Samantha, sehen Sie mich an“, wies er sie an.
Als sie ihm endlich den Gefallen tat, nickte Morgan. „So ist’s gut. Konzentrieren Sie sich, und drücken Sie meine Hand ruhig so stark Sie können. Konzentrieren Sie sich darauf, den Schmerz auf mich zu übertragen.“
Er war nicht sicher, ob das Buch seinen Versuch, sie abzulenken, gutheißen würde, aber das war ihm gleichgültig. Jetzt war nur wichtig, dass es zu funktionieren schien. Samantha ließ ihn nicht aus den Augen und umklammerte seine Hand so heftig, dass sie ihm fast das Blut abschnürte.
Ein oder zwei Minuten später, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, gab sie seine Hand wieder frei und lehnte sich auf dem Sofa zurück. „Ich muss pressen.“
Morgan erschauerte, sein Magen krampfte sich zusammen. „Sind Sie sicher?“, fragte er und bewegte seine tauben Finger.
Sie nickte, kniff die Augen zusammen, packte beide Knie mit den Händen und presste mit aller Kraft.
Morgan hätte am liebsten die Flucht ergriffen. Stattdessen nahm er hastig das Buch, um schnell noch einmal durchzulesen, was er tun musste, und betete dann wie noch nie in seinem Leben.
Er würde es schaffen. So wie sein Vater und seine Brüder hatte er unzählige Male Kälbern auf die Welt geholfen. Da würde er es doch wohl noch schaffen, bei einem einzigen kleinen menschlichen Baby dasselbe zu tun.
Das Buch in Reichweite auf dem Boden, wusch er sich die Hände in einem der beiden mit heißem Wasser gefüllten Töpfe und fischte sein sterilisiertes Taschenmesser und Samanthas Schnürsenkel aus dem anderen Topf. Zum Glück war das Wasser genügend abgekühlt, dass es ihn nicht verbrühte, aber es war trotzdem noch ziemlich heiß. Aber Morgan war so sehr darauf fixiert, was er tun musste, dass es ihm kaum auffiel.
Die nächsten dreißig Minuten kamen ihm so unwirklich vor, als sähe er sich einen Film an, den jemand zu schnell vorspulte. Samantha mühte sich ab, ihr Baby herauszupressen, und er stieß ermutigende Worte hervor. Und dann, kurz nach Mitternacht, fiel ein kleiner Junge mit dunkelbraunem Haar in seine wartenden Hände, öffnete den Mund und brüllte aus voller Kehle los.
Morgan wurde es ganz warm ums Herz, als er das winzige Geschöpf sah. Er war so voller Ehrfurcht für das Wunder, das er miterlebt hatte, dass er selbst dann keine zwei zusammenhängenden Worte herausgebracht hätte, wenn sein Leben davon abgehangen hätte.
„Geht es meinem Baby gut?“, fragte Samantha, und sie klang viel kräftiger, als er für möglich gehalten hätte nach allem, was sie durchgemacht hatte.
Erleichtert, dass alles gut gegangen war, band Morgan die Nabelschnur an zwei Stellen ab, schnitt sie dazwischen durch, und wickelte dann das Baby in flauschige Handtücher. Seine Hände zitterten leicht, als er es in Samanthas Arme legte.
Schließlich räusperte er sich und brachte hervor: „Ich bin kein Arzt, aber in meinen Augen sieht er perfekt aus.“ Er grinste. „Wenn sein Geschrei ein Hinweis ist, würde ich sagen, dass er fuchsteufelswild ist, weil wir ihn, ohne ihn zu fragen, aus seinem warmen Kämmerchen gerissen haben.“
„Er ist wunderschön.“ Samanthas Augen füllten sich mit Tränen, als sie zu Morgan aufsah. „Ich kann Ihnen nicht genug danken für Ihre Hilfe, Morgan.“
„Sie haben doch die ganze Arbeit gemacht.“ Er wusch sich die Hände, rollte die Hemdsärmel herunter und knöpfte sie an den Handgelenken zu. „Haben Sie schon einen Namen für ihn?“
Das Lächeln, das sie ihm schenkte, gab Morgan das Gefühl, die Sonne wäre an einem grauen Tag durch die Wolken gekommen. „Ja, ich habe mich tatsächlich schon für einen entschieden“, erwiderte sie leise. „Wie finden Sie Timothy Morgan Peterson?“
Zwei Tage später saß Samantha auf ihrem Krankenhausbett und starrte auf die Entlassungspapiere, die die Schwester ihr gerade eben gegeben
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