JULIA COLLECTION Band 10
sagte er beim Verlassen des Zimmers, ehe er sacht die Tür hinter sich schloss.
Charmaine lag unter dem rosafarbenen Bettüberwurf und sah wie gebannt an die Zimmerdecke, während sie darauf wartete, dass die Migräne richtig einsetzte. Aber weder das Klopfen in den Schläfen noch die Übelkeit stellten sich ein. Offensichtlich hatten die Tabletten noch rechtzeitig Wirkung gezeigt. Mit der durch die Einnahme erzwungenen Ruhe kamen die Entspannung und die Tränen – nicht wegen der Ereignisse in der Vergangenheit, sondern wegen der gegenwärtigen Geschehnisse.
Was für ein Durcheinander!
Aber das war bei ihr ja nichts Neues. Ali hatte sie gefragt, ob ihre Kopfschmerzen nur eine Ausflucht seien, um seiner Gesellschaft zu entgehen. In dem Augenblick hatte sie nicht daran gedacht, aber rückblickend betrachtet hatte er vielleicht recht gehabt. Auch wenn sie ihm gegenüber ständig beteuerte, gefühlsmäßig nicht an ihn gebunden zu sein, war das Gegenteil der Fall. Sie fühlte sich so sehr zu ihm hingezogen, dass es ihr richtig Angst machte. Warum musste sie sich denn ausgerechnet in diesen Mann verlieben?
„Oje“, rief sie schließlich schluchzend und barg das Gesicht in den Kissen. Tränen rollten ihr über die Wangen und durchfeuchteten die Bettwäsche. Aber sie ließen sich durch nichts aufhalten, rannen immer weiter, bis Charmaine völlig erschöpft war und ihr der Schlaf vorübergehend Vergessen schenkte.
Zur gleichen Zeit saß Ali an seinem Schreibtisch und sah stirnrunzelnd auf eine E-Mail vom Detektivbüro. Dabei handelte es sich nicht um einen Bericht über das Vorangehen der Untersuchungen, sondern um die Bitte, sich telefonisch zu melden. Sobald Ali das getan hatte, wurde er direkt zu Ryan Harris durchgestellt, mit dem er schon oft zu tun gehabt hatte.
„Ich bin froh, dass Sie anrufen, Eure Hoheit“, sagte Mr. Harris. „Ich wollte persönlich mit Ihnen sprechen, was die Durchleuchtung des Hintergrunds einer gewissen Dame betrifft, die Sie bei uns in Auftrag gegeben haben. Entschuldigen Sie meine umständliche Ausdrucksweise, aber ich glaube, es ist besser, den Namen der Lady nicht zu erwähnen. Telefongespräche werden leider hin und wieder abgehört, und E-Mails sind natürlich besonders anfällig für neugierige Dritte.“
„Ich weiß Ihre Vorsicht zu schätzen, Mr. Harris“, sagte Ali. „Wenn man jemanden überprüft, muss man sich so verhalten. Also, was haben Sie herausgefunden?“
„In den vergangenen Tagen ist uns ein Gerücht zu Ohren gekommen, das angesichts des hohen Bekanntheitsgrades der Dame zu einem Problem werden könnte. Einfach nur Fragen zu stellen, egal wie diskret, kann einen unerwünschten Dominoeffekt haben, besonders wenn es um Reiche und Schöne geht. Ich wollte mich nur noch einmal vergewissern, ob wir weitermachen sollen.“
„Welches Gerücht meinen Sie denn?“, fragte Ali, der sofort ein ungutes Gefühl hatte.
„Eine Person in der Heimatstadt der Dame scheint zu glauben, dass die Schwester der Lady, die an Leukämie gestorben ist, nicht ihre Schwester, sondern ihre Tochter gewesen ist.“
Darüber war Ali so erschrocken, dass er den Hörer umklammerte, bis seine Knöchel weiß hervortraten.
„Wie das geheim gehalten werden konnte“, fuhr Harris fort, „verstehe ich nicht, besonders da die fragliche Person so berühmt ist. Aber ich nehme an, normalerweise halten die Leute da alle dicht. Meine Information habe ich von einer Bardame, die im ortsansässigen Hotel arbeitet und mit besagter Lady zur Schule ging. Vielleicht hat sie aus Eifersucht oder Neid geredet, aber noch tiefer zu schürfen würde bedeuten, man glaubt den Gerüchten, und dann dauert es nicht lange, bis die Journalisten der Klatschpresse Wind davon bekommen. Ich dachte, das würden Sie vielleicht nicht wollen, Eure Hoheit.“
„Da haben Sie verdammt recht, Mr. Harris. Bitte brechen Sie die Untersuchungen sofort ab, und zerstören Sie die betreffenden Akten und Dateien. Selbstverständlich erhalten Sie das vereinbarte Honorar genauso wie die versprochene Sonderzahlung. Ich bin Ihnen für Ihre Diskretion äußerst dankbar.“
Ali legte auf, fuhr sich mehrfach aufgeregt durchs Haar und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. War das mit dem Kind die Wahrheit? Und wenn ja, wann war es geboren worden, und wieso verleugnete Charmaine ihre eigene Tochter?
Aus Scham? Sie machte nicht den Eindruck, als würde sie zu den Frauen gehören, die sich schämten, alleinerziehend zu sein.
Aus
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