JULIA COLLECTION Band 10
Renée gegenüber halten würde. Sicher wäre er geschockt. Bei Ali brauchte er sich da keine Gedanken zu machen. Dessen Einstellung zu Frauen und Sex war viel weniger romantisch als Charles’. Wenn Ali auf der Rennbahn eine Frau kennenlernte, die ihm gefiel, lud er sie erst in seine Hotelsuite und dann noch eine Woche auf sein Gestüt ein. Aber am darauffolgenden Freitag war noch jede zurückgebracht und auch nicht wieder eingeladen worden.
Obwohl sich Alis einwöchige Affären inzwischen bei Sydneys Pferderennsportbegeisterten herumgesprochen hatten, stellte es keine Schwierigkeit für ihn dar, willige Gefährtinnen zu finden. Wenn sich aber die Frauen einbildeten, einen Ehemann aus ihm machen zu können, hatten sie sich geschnitten. Ali hatte Rico einmal anvertraut, er hege kein Interesse an der Ehe oder an Kindern. Seine Pferde seien seine Kinder und Frauen gelegentlich eine willkommene Abwechslung.
Nein, Ali wäre über seine Forderung Renée gegenüber nicht schockiert, aber Charles schon. Doch jetzt war es zu spät, sich darüber Gedanken zu machen. Es wurde Zeit, seinen Gewinn in Empfang zu nehmen.
5. KAPITEL
„Also, wollen wir unsere Karten jetzt aufdecken?“, fragte Rico.
Renée zuckte lässig die Schultern, aber da war auch ein Blitzen in ihren Augen. Befürchtete sie inzwischen doch zu verlieren? Während sie die Karten vor sich hinlegte, zitterten ihre Hände leicht.
Sie hat Angst, dachte Rico, und dazu auch allen Grund.
„Ich hoffe, du bluffst nicht, mein Junge“, sagte Charles, der nicht wissen konnte, dass Renée mit ihrem Neuner-Vierling immer noch schlechter dastand als Rico.
Als dieser seine Karten offenlegte, hielt Renée den Atem an. „Du meine Güte“, rief Charles, „ein Royal Flush! Das habe ich noch nie gesehen.“
„Ich schon“, bemerkte Ali nüchtern. „Wie gerissen von dir, Enrico, Renée mit einem solchen Blatt zu einem Sondereinsatz zu überreden.“
„Sie hätte ja nicht zuzustimmen brauchen“, erwiderte Rico, der viel zu begeistert war, um sich schuldig zu fühlen. „Sie hätte wissen müssen, dass ich nicht bluffe.“
„Das habe ich gewusst“, meinte Renée. „Mir war nur nicht klar, dass dein Blatt unschlagbar sein würde. Schließlich sind meine Karten auch ziemlich gut.“
Stirnrunzelnd sah Rico zu ihr. Eigentlich hätte sie viel enttäuschter sein müssen. Aber noch wusste sie ja nichts von seinem Zusatzwunsch. Wahrscheinlich würde sie nicht einmal dann eine Szene machen, sondern sich zurückhalten, bis sie ihn unter vier Augen sprechen konnte. Dann durfte er sich allerdings auf etwas gefasst machen.
Als sie die Hand nach den beiden Umschlägen ausstreckte, hatte Rico plötzlich ein ganz merkwürdiges Gefühl. Aber Renée ließ den Umschlag mit seinem Namen liegen und nahm lediglich ihren wieder an sich. „Das darf ich doch?“, fragte sie dabei. „Der Verlierer kann seinen Herzenswunsch geheim halten, oder?“
„Für mich ist das kein Geheimnis“, antwortete Rico ärgerlich, weil sie es so lang hinauszögerte, seinen Umschlag zu öffnen. „Ich weiß ohnehin, was du dir gewünscht hast.“
„Das bildest du dir nur ein“, meinte Renée daraufhin, und Rico konnte es nicht glauben. Selbst im Augenblick seines großen Erfolgs musste Renée noch eine Bemerkung machen, die ihn zum Nachdenken veranlasste. Jetzt wünschte er, er hätte diese spezielle Bedingung nicht gestellt und nachsehen können, was sie sich gewünscht hatte. Auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass es dabei um seinen Anteil an Ebony Fire ging, hätte er sich doch gern vergewissert.
„Das wird mir jetzt alles ein bisschen zu viel“, schimpfte Charles. „Öffne einfach Ricos Umschlag, Renée, damit wir sehen, was er will! Ich hoffe nur, du hast genügend Geld. Mit diesem Blatt hätte Rico alles verlangen können.“
„Ich bezweifle, dass unser italienischer Freund sich etwas gewünscht hat, das man kaufen kann“, meinte Ali gelassen. „Ich nehme an, es handelt sich um etwas, das nur Renée ihm geben kann.“
„Das denke ich auch“, bemerkte Renée kühl und verstaute erst einmal ihren Umschlag in der Handtasche, die immer zu ihren Füßen stand. „Liegen wir da richtig, Rico?“, fragte sie dann, während ihre Lippen ein wissendes Lächeln umspielte.
Rico wurde es ganz heiß. Offensichtlich wusste Renée Bescheid – wie peinlich! Und Ali ahnte es anscheinend auch. Hatte er sich denn in den letzten Jahren so auffällig benommen? Wussten die anderen, dass er jeden
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