JULIA COLLECTION Band 10
Handtücher über den Wannenrand. Dann ging er zum Waschbecken, stützte sich auf die Konsole und betrachtete seine übermüdeten Augen. Sofort fiel ihm dabei Renée ein, wie sie so am Waschbecken gestanden und ihn im Spiegel mit verschleiertem Blick betrachtet hatte, während er tat, was sie am liebsten hatte.
Doch irgendwie erinnerte er sich nicht gern daran, weil er da eigentlich nur ihr Lustobjekt gewesen war. Darauf hatte er sich letzte Nacht reduzieren lassen und sich jedes Mal, wenn er ihr zu Willen war, verausgabt.
Kein Wunder, dass sie ihn in ihrer Mitteilung scherzhaft „Don Juan“ genannt hatte. Sex war alles, wozu er in ihren Augen taugte. Vergangene Nacht hatten sie sich auch über nichts Weltbewegendes unterhalten, nur Themen gewählt, die ihre Lust wach hielten. Und am Ende hatte er sich Renée gegenüber genauso gezeigt, wie sie es ihm immer vorgeworfen hatte: oberflächlich. Aber wenigstens konnte sie nicht behaupten, er sei egoistisch. Ihr Vergnügen hatte bei ihm an erster Stelle gestanden, oder etwa nicht?
Rico war nicht sicher, ob er bei jedem neuen Mal darauf gedrungen hatte, es langsam angehen zu lassen, um sie zufriedenzustellen oder um ihr zu zeigen, wie gut er im Bett war. Hm, die vielen verschiedenen Stellungen waren durchaus dazu angetan gewesen, ihr sein Können unter Beweis zu stellen.
„O Rico, Rico!“ Kopfschüttelnd blickte er in den Spiegel. Was war er eigentlich für ein Mensch? Der liebe Junge, wie seine Mutter immer behauptete, oder der durchtriebene Aufreißer, den Renée in ihm sah?
Aber in sich zu gehen war eigentlich nicht sein Ding. Dabei hatte er erst vor einigen Monaten allen Grund dazu gehabt, nachdem er völlig übereilt Charles’ Frau verdächtigt hatte, es nur auf dessen Geld abgesehen zu haben. Damit hatte er seinem Freund das Leben ganz schön schwer gemacht und gelernt, dass er selbst, was schöne Frauen betraf, zum Zyniker geworden war – wenn auch aus gutem Grund.
Da draußen gab es zahlreiche Frauen, deren einziges Ziel es war, reich zu heiraten. Renée hatte auch einmal dazugehört. Aber das war jetzt vorbei. Sie machte keinerlei Anstalten mehr, sich einen zweiten Joseph Selinsky zu angeln oder einen Rico Mandretti. Dabei bedurfte es nicht viel, um seine Lustgefühle für sie in Liebe zu verwandeln. Da brauchte er nur an den Augenblick zu denken, als er sich vorgestellt hatte, sie könnte von ihm schwanger werden. Es wäre ihm nicht unangenehm gewesen, ganz im Gegenteil …
Das bedeutete, seine Gefühle für diese Frau gingen schon jetzt tiefer, als er es wahrhaben wollte. Dabei wollte sie doch frei und unabhängig bleiben und war nicht im Entferntesten daran interessiert, wieder zu heiraten und eine Familie zu gründen. Das Einzige, was sie von den Männern erwartete, war sexuelle Befriedigung, so wie er sie ihr letzte Nacht verschafft hatte.
Von den Männern? Schimpfend wandte sich Rico vom Waschtisch ab und eilte aus dem Badezimmer, um die zerknüllte Mitteilung zu suchen.
Während er sie ein zweites Mal las, schnürte sich ihm der Hals zusammen. Sie wolle sich den Abend freihalten, stand da. Bedeutete das, sie würde ein anderes Rendezvous absagen? Auf seine Frage, wie lange sie schon keinen Sex mehr gehabt habe, hatte sie geantwortet: „Zumindest eine Woche lang nicht.“ Gestern Nacht hatte er es für einen Scherz gehalten, jetzt war er sich da nicht mehr so sicher. Eine Frau mit ihrer Libido hatte wahrscheinlich jeden Samstagabend ein heißes Date.
Bei der Vorstellung, dass sie auch noch mit anderen Männern schlief, packte ihn die Eifersucht. Was in der Vergangenheit geschehen war, konnte er nicht mehr ändern. Aber er wollte ihr klarmachen, dass er während der kommenden vier Wochen keine anderen Männer neben sich duldete. Geliebte räumten einem doch das ausschließliche Recht auf ihren Körper ein, oder nicht? Andererseits machte Renée immer, was sie wollte, und auf seinem Wunschzettel hatte er sich kein Exklusivrecht ausbedungen.
Ein Fehler! Dabei hätte er wetten können, dass ihr bei der Formulierung ihres Wunsches keiner unterlaufen war.
Zu dumm aber auch, dass sie den Zettel verbrannt hatte. Er hätte gern gelesen, mit welchen Worten sie sich seinen Anteil an Ebony Fire gewünscht hatte. Lange hatte sie dazu ja nicht gebraucht. Da war er länger beschäftigt gewesen, zum einen, weil er nicht genau wusste, wie viele Nächte er von ihr verlangen sollte, zum anderen, weil es ziemlich schwierig gewesen war, ohne Unterlage auf den
Weitere Kostenlose Bücher