JULIA COLLECTION Band 10
Zettel zu schreiben. Schließlich hatte er Renée den Block überlassen. Der Notizblock! Rico kam eine Idee: Womöglich konnte man mit Schraffieren sichtbar machen, was sie geschrieben hatte.
Er eilte zum Telefon und wählte die Rezeption an. „Könnten Sie mich bitte zur Präsidentensuite durchstellen?“
James, der Butler, ging an den Apparat. „Einen Moment, ich reiche das Telefon weiter, Mr. Mandretti.“
„Hallo?“
„Ali, ich bin’s, Rico!“
„Guten Morgen.“
„Guten Morgen, Ali. Könnte ich kurz zu dir raufkommen und einen Blick auf den Block werfen, den Renée für ihren Wunsch benutzt hat?“
„Darf ich daraus schließen, dass ihr die Nacht zusammen verbracht habt und Renée bereits gegangen ist?“
„Du darfst. Sie hatte einen Termin im Schönheitssalon.“
„Ich will nicht so unhöflich sein und fragen, wie es gelaufen ist. Das sehe ich ja demnächst mit eigenen Augen. Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich würde mich freuen, wenn du mit mir Kaffee trinkst. James wird den Block bereitlegen. Ich nehme an, du brauchst auch einen Bleistift mit weicher Mine?“
„Ja, ich wusste, dass ich auf deine Kooperation zählen kann. Und auf dein Verständnis.“
Ali lachte. „Wir Männer müssen zusammenhalten, besonders wenn es um schöne und komplizierte Frauen geht.“
„Das kannst du laut sagen. Ich bin gleich bei dir. Ich muss mich nur schnell anziehen.“
8. KAPITEL
Rico bewunderte nur selten das Aussehen eines anderen Mannes. Aber als er den Balkon der Präsidentensuite betrat, bot Ali in seiner seidenen Pyjamahose auf der Chaiselongue einfach einen atemberaubenden Anblick. Wenn sein arabischer Freund sich jemals dazu entschließen sollte, Schauspieler zu werden, wäre er bestimmt die Idealbesetzung für jeden Wüstenfilm – nicht nur wegen seiner Herkunft. Mit seiner dunklen Haut, dem rabenschwarzen Haar und der geschwungenen Nase wirkte er auch so wie ein Prinz aus Tausendundeiner Nacht. Sein Körper ließ ebenfalls nichts zu wünschen übrig: Er war groß, breitschultrig und durchtrainiert. Rico konnte gut verstehen, warum sich die Frauen seit Jahren auf ihn stürzten – aus dem gleichen Grund, warum auch er, Rico, keine Probleme hatte, eine Frau für ein, zwei Nächte zu finden.
Aber gutes Aussehen war nicht alles – im Gegenteil. Jetzt fragte er sich sogar, ob es für Ali nicht eher ein Hindernis darstellte. Irgendwann wollte er ihn darauf ansprechen, aber nicht heute. Im Augenblick hatte er ganz andere Sorgen.
„Guten Morgen, Enrico“, sagte Ali noch einmal und zeigte beim Lächeln alle Zähne, was Rico unwillkürlich an einen Piraten des fünfzehnten, sechzehnten Jahrhunderts denken ließ, der im Mittelmeer sein Unwesen trieb. Dabei hörte sich Ali an wie ein englischer Gentleman – eine äußerst ungewöhnliche Mischung. „Du siehst gut aus“, fuhr er nun fort, „vielleicht ein bisschen durch den Wind. Nimm Platz. Kaffee, oder möchtest du erst einmal das Geheimnis deiner Freundin aufdecken?“
Rico setzte sich an den Tisch und nahm Block und Bleistift, die James ihm bereits hingelegt hatte. „Sie ist nicht meine Freundin.“
Ali runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht ganz. Wenn sie die Nacht mit dir verbracht hat, ist sie doch bestimmt …“
„Das war Teil meines Pokergewinns“, fiel ihm Rico ins Wort. Er hatte beschlossen, Ali die Wahrheit zu sagen, weil er unbedingt die Meinung eines anderen Mannes hören musste. Aber mit Charles konnte er nicht darüber reden. Der hätte es nicht verstanden. Ali dagegen lebte selbst sehr unkonventionell, besonders wenn es um seine Beziehungen zum anderen Geschlecht ging. „Ich habe Renée nicht um ein Rendezvous gebeten“, fuhr Rico nun fort. „Was das betrifft, hat sie gelogen, um Charles’ Gefühle nicht zu verletzen. Ich habe sie gebeten, für einen Monat meine Geliebte zu sein, beginnend mit letzter Nacht.“
Jetzt blickte Ali doch erstaunt drein. „Mein lieber Freund“, sagte er dann vorsichtig, „ich bewundere deine Dreistigkeit, aber damit spielst du mit dem Feuer, vor allem bei einer Frau wie Renée.“
„Das ist mir inzwischen auch klar geworden. Deshalb muss ich wissen, was sie sich von mir gewünscht hat.“
„Was, glaubst du, könnte es gewesen sein?“
„Mein Anteil an Ebony Fire. Sie liebt das Pferd über alles und will es unbedingt für sich allein haben.“
„So wie du Renée.“
„Ja“, sagte Rico unumwunden.
„Dann hast du deinen Anteil also als Lockmittel benutzt, damit sie bei
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