JULIA COLLECTION Band 10
Schlafzimmerblick, den sie noch betonte, indem sie sich die Brauen ganz fein zupfte. Dadurch wirkte sie beim Lächeln immer entweder belustigt oder spöttisch, aber nie püppchenhaft. Ansonsten konnte man sie von ihrem Gesichtsausdruck her leicht für hochnäsig oder zumindest sehr von sich eingenommen halten. Das war ihr auf dem Laufsteg wahrscheinlich zugutegekommen, aber im täglichen Leben stieß sie damit eher auf Ablehnung.
Am Anfang hatte Charles Renée auch nicht gemocht. Doch der erste Eindruck trog oft. Zwar konnte er selbst nach fünf Jahren noch nicht behaupten, sie gut zu kennen, fand sie allerdings schon viel sympathischer. Schließlich war es unmöglich, eine Frau, die so hervorragend pokerte, nicht zu mögen.
Ihm war auch egal, ob sie den Banker nun des Geldes wegen geheiratet hatte oder nicht. Zweifellos hatte sie ihre Gründe gehabt. Trotzdem kam ihm Renée immer viel zu kühl und beherrscht vor. Ganz anders als Dominique, die ständig zwischen süßer Hingabe und unersättlichem Verlangen schwankte. „Noch einmal, Charles!“, pflegte sie zu sagen, wenn er der Meinung war, er hätte seine eheliche Pflicht längst erfüllt. Aber eigentlich konnte er von Dominique nie genug kommen.
Verdammt, er hätte nicht wieder an sie denken sollen!
Nachdem man entschieden hatte, wer die Karten gab – wobei Renée zu Ricos großer Verärgerung gewonnen hatte –, versuchte Charles, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Aber es war zwecklos. Und als sie um zweiundzwanzig Uhr dreißig eine Pause einlegten, um etwas zu essen, hatte er bereits mehr verloren, als ihm lieb war.
„Du bist heute Abend nicht mit den Gedanken dabei, Charles“, stellte Ali mit seinem englischen Elite-Uni-Akzent fest, als sie beim Nachtisch angelangt waren.
„Ich bin einfach ein bisschen aus der Übung.“
„Vielleicht macht er uns auch nur etwas vor“, meinte Renée, „um später einen Superstich zu landen.“
Charles lächelte, wobei er hoffte, es würde geheimnisvoll wirken.
„Das ist ja mal wieder typisch!“, sagte Rico irritiert. „Ein teuflisches Weib wie du würde genau das tun. Aber Charles ist geradeheraus. Er spielt heute Abend nur schlecht, weil es ihm nicht gelingt, seine Gedanken oberhalb der Gürtellinie zu halten.“
„Und wer könnte ihm das verdenken?“, fragte Ali. „Renée hat recht: Du kannst dich sehr glücklich schätzen, Charles, dass du eine so schöne Frau für dein Bett gefunden hast.“
„Dominique ist nicht nur schön, Ali, sondern auch sehr geistreich“, antwortete Charles leicht vorwurfsvoll. Es passte ihm nicht, dass Ali Dominique und sein Leben mit ihr auf ihre sexuellen Reize reduzierte. „Wir sind nicht nur ein Liebespaar, sondern auch gute Freunde – Gleichberechtigte in allen Lebenslagen.“
Rico lachte. „Wem willst du denn damit etwas vormachen, Charles? Die Frau hat dich doch fest im Griff!“
„Musst du so anzüglich sein?“ Renée warf ihm unter halb geschlossenen Lidern einen entsprechenden Blick zu, bevor sie sich an Charles wandte. „Achte einfach nicht auf ihn. Er ist nur eifersüchtig, weil er niemanden hat, der seine Liebe ehrlich erwidert.“
Wieder lachte Rico, aber es klang irgendwie künstlich. „Ich wünschte, ich wäre eifersüchtig. Das würde mir besser bekommen.“
„Besser als was?“, fragte Charles, der ihm nicht ganz folgen konnte.
„Ach nichts, ich rede Unsinn.“ Plötzlich wirkte Rico betreten. „Wahrscheinlich habe ich einfach zu viel getrunken. Ab jetzt halte ich mich an Kaffee.“
„Eine hervorragende Idee“, meinte Ali. „Alkohol ist der Anfang allen Übels.“
„Ich dachte, das sei Geld!“, entgegnete Rico.
„Nein, Sex“, erklärte da Renée überraschend. „Ohne ihn würde es uns allen viel besser gehen.“
„Aber dann würde es auch keine Kinder geben“, gab Charles zu bedenken.
„Eben“, antwortete Renée.
„Dass du keine Kinder magst, war ja klar!“, schimpfte Rico schon wieder.
„Das habe ich nicht gesagt“, erklärte Renée pikiert. „Aber die Welt ist ohnehin schon übervölkert, und so viele Kinder leben im Elend. Da sollte man nicht noch selbst welche bekommen.“
„Entschuldige, Renée, aber da bin ich anderer Meinung“, sagte Charles. „Dominique und ich wollen Kinder haben, und zwar schon bald.“
Blitzartig wandte sich Rico ihm zu. „Ich dachte, den Kinderwunsch hättest du erst einmal verschoben.“ Stirnrunzelnd fuhr er fort: „Verdammt, Charles, du bist doch erst seit vier Wochen
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