JULIA COLLECTION Band 11
und Sam geheiratet, und Avis freute sich sehr für die beiden, zumal sie ein Baby erwarteten. Aber der Anblick des glücklichen Paares erweckte in ihr ein schmerzliches Gefühl der Leere, das sie hasste, aber einfach nicht überwinden konnte. Also blieb ihr nichts anders übrig, als Distanz zu wahren, bis ihre Emotionen irgendwie wieder ins Lot gerieten.
Während Pete aufgeregt erklärte, welche Leute sie antreffen und wie viel Spaß sie auf der Party haben würden, zwang Avis sich, zu lauschen und an den angemessenen Stellen zu nicken, bis er schließlich wieder verschwand. Sie fühlte sich wie ein Scheusal, aber das hielt sie nicht davon ab, Gwyn Dunstan anzurufen und sich mit ihr für Samstagabend zum Dinner zu verabreden.
Von den vier Frauen, die in dem kleinen Einkaufszentrum von Puma Springs ihre Geschäfte betrieben hatten, war Gwyn als Einzige nicht in dem Testament von Edwin Searle bedacht worden. Doch sie hatte sich entschieden geweigert, von ihren Freundinnen Geld anzunehmen, obwohl sie hart arbeiten musste, um sich und ihre beiden Kinder von dem kleine Café ernähren zu können, in dem sich die Vier früher einmal täglich getroffen hatten. Nun waren Valerie und Sierra glücklich verheiratet, und somit hatte sich eine besondere Beziehung zwischen den Singles Avis und Gwyn entwickelt.
Als Gwyn einem Treffen bereitwillig zustimmte, wurde Avis erst bewusst, wie sehr sie sich darauf freute. Dennoch redete sie sich ein, dass sie sich nicht einsam, sondern nur rastlos fühlte.
Die vergangenen Wochen waren wie im Fluge und gleichzeitig quälend langsam verstrichen – ausgefüllt von Arbeit und doch irgendwie leer. Bald würde die lähmende Hitze des Sommers einsetzen, und Avis graute in diesem Jahr noch mehr davor als üblich. Vielleicht sollte sie an einen kühleren Ort fahren. London zum Beispiel.
Entschieden verwarf sie diesen Gedanken wieder und griff zu der Broschüre auf ihrem Schreibtisch. Sie war fest entschlossen, sich auf andere Dinge zu konzentrieren, bis sie eines Tages so unbeschwert an London denken konnte wie an irgendeinen x-beliebigen Urlaub.
„Mädchen, du siehst aus wie eine echte Millionärin“, verkündete Gwyn mit einem Grinsen, während sie auf das rote Vinylpolster der Sitzbank sank. „Aber du hast ja schon immer wie eine Königin auf Besuch im Elendsviertel ausgesehen.“
„Danke“, murmelte Avis und wünschte, sie hätte sich in Jeans statt in Rohseide gekleidet. „Du siehst auch gut aus. Mir gefallen deine Haare offen. Ich wusste gar nicht, dass sie so lang sind.“
Gwyn strahlte wie ein Schulmädchen. Ihre grauen Augen funkelten. „Molly hat mich überredet, sie offen zu tragen. Sie meint, dass der geflochtene Zopf altmodisch ist und ich nicht genug aus mir mache. Als ob mich das interessieren würde, wenn ich um drei Uhr morgens aufstehe.“
Ihr Geschäft erforderte tagtäglich viele harte Arbeitsstunden, da sie sämtliches Gebäck selbst herstellte. Das erklärte ihren schlanken, muskulösen Körper und den minimalen Aufwand, den sie auf ihr Äußeres verwendete. Wie gewöhnlich war sie total ungeschminkt, aber ihre dichten hellbraunen Haare, die ihr schnurgerade bis weit über die Schultern auf den Rücken fielen, ließen sie wesentlich jünger als ihre sechsunddreißig Jahre aussehen. Der jugendliche Eindruck wurde noch verstärkt durch ihr übliches Outfit aus Jeans, T-Shirt und Turnschuhen.
„Tja, deine Tochter hat völlig recht, was deine Haare angeht“, sagte Avis. „Aber ich weiß genau, was du meinst.“
Die neue Frisur war jedoch nicht die einzige Veränderung, die Avis an ihrer Freundin entdeckte. Die raue Schale, die früher Gwyns Markenzeichen gewesen war, hatte sich im Laufe des vergangenen Jahres deutlich geglättet, und das war in irgendeiner Weise Edwin Searle zu verdanken. Durch das Testament hatten sich alle vier Frauen verändert.
„Also, erzähl. Was hast du in letzter Zeit so getrieben?“,wollte Gwyn wissen.
Avis verzog das Gesicht. „Gearbeitet, gearbeitet und gearbeitet, mit Ausnahme einer sehr langweiligen Cocktailparty, die auch mit dem Geschäft zu tun hatte. Banker sind nicht unbedingt Partylöwen, muss ich sagen. Aber genug von mir. Wie geht es dir? Kids okay? Geschäft gut?“
„Den Kids geht es prima, das Geschäft läuft einigermaßen, und mir geht es gut.“ Lächelnd verschränkte Gwyn die Arme auf der Tischplatte. „Das haben wir schon durchgekaut, gleich nachdem du aus London zurück warst. Also kommen wir zum
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