JULIA COLLECTION Band 11
„Suchst du Streit, Lucien? Ich mag keinen Streit.“
In seinen Augen blitzte etwas auf. Es hätte Zorn oder Sorge sein können. Doch dann lächelte er und nahm sich ein Handtuch. „Das weiß ich. Es ist eines der liebsten und nervigsten Dinge an dir.“
„Ich verstehe nicht, was du meinst.“
„Ich glaube doch“, widersprach er. „Du versteckst dich hinter deiner lieblichen Fassade. Ich sage zu dir: Geh nicht zurück nach Texas. Bleib hier bei mir. Und du lächelst und sagst: Das möchte ich gern. Aber in Wirklichkeit heißt es, dass du nicht willst.“
„Das ist nicht wahr. Ich will wirklich bleiben.“
„Dann tu es doch.“
Sanft entgegnete sie: „Kein Urlaub dauert ewig.“
„Das hat auch niemand gesagt.“
„Dann ist doch alles klar.“ Avis wandte sich dem Ankleidezimmer zu, das nicht nur Kleiderstangen und Schubladen enthielt, sondern auch Stühle, einen beleuchteten Frisiertisch und ein Waschbecken. „Ich brauche nicht lange“, versprach sie und ging weiter.
Luc packte sie am Handgelenk und hielt sie fest. „Ich glaube dir, dass du bleiben möchtest, aber du wirst es nicht tun. Warum ist das so?“
Einen flüchtigen Moment lang erwog sie, ihm anzuvertrauen, dass sie fürchtete, abhängig von ihm zu werden, ihn zu sehr zu brauchen. Das durfte sie nicht zulassen. Sanft löste sie sich aus seinem Griff und flüsterte: „Bitte, ruinier nicht alles, Luc. Wir hatten eine wundervolle Zeit. Du warst sehr großzügig und sehr, sehr lieb. So möchte ich dich in Erinnerung behalten.“
Er zog sie heftig an sich. „Und du bist furchtbar aufreizend, frustrierend und berauschend.“
Er senkte den Mund auf ihren in einem leidenschaftlichen Kuss, und sie konnte ihm nicht widerstehen.
Als er schließlich den Kopf hob, blickte sie ihn sanft an und sagte ihm, was sie bisher aufgeschoben hatte. „Ich fliege am Montag.“
Noch drei Tage. Niemand sprach es aus, aber der Gedanke hallte förmlich durch den Raum.
Lucs Nasenflügel blähten sich, und dann zog er plötzlich das Handtuch von ihrem Körper. „Dann kannst du den verdammten Theaterbesuch vergessen.“
Noch einmal kapitulierte Avis bereitwillig, doch das änderte letztendlich nichts an ihrer Entscheidung. Ihr blieb keine andere Wahl, als ihn zu verlassen. Denn sie wusste instinktiv, spürte mit jeder Berührung immer deutlicher, dass sie andernfalls mehr von sich aufgeben würde, als sie es durch die Bindung an Kenneth getan hatte.
Sie hatte schon einmal ihr Leben einem Mann gewidmet und ihre eigene Zukunft für ihn geopfert. Das wollte sie nie wieder geschehen lassen. Edwin Searle hatte ihr eine zweite Chance gewährt, die sie nicht vergeuden wollte. Aber genau dazu würde es führen, wenn sie zu lange bei Luc blieb.
„Ich kann es nicht fassen.“ Luc deutete zu dem Gepäck in seinem Foyer und rang mühsam um Beherrschung. Da die Baldwins händeringend im Hintergrund standen, trat er näher zu Avis und sagte leise: „Wir haben doch gestern Abend darüber gesprochen.“
„Das stimmt“, räumte sie sanft ein, „und ich habe dir gesagt, dass ich nicht bleiben kann.“
„Das war, bevor …“ Er verstummte mit einem Blick zu den Baldwins.
Sein Personal brauchte nicht zu wissen, was in seinem Schlafzimmer geschehen war. Er hatte Avis ein Geständnis nach dem anderen entlockt – dass er der beste Liebhaber für sie war, dass sie sich bei ihm wie die begehrenswerteste, schönste Frau der Welt fühlte, dass London für sie eine zauberhafte Erfahrung war. Er war überzeugt gewesen, dass sie sich umhegt und verehrt wie eine Märchenprinzessin fühlte und liebend gern in diesem wundervollen Haus in dieser faszinierenden Stadt bleiben würde, während er seine Geschäfte zum Abschluss brachte.
Im Grunde genommen hatte er nicht nur die vergangene Nacht, sondern auch den ganzen Tag damit verbracht, sie zum Bleiben zu bewegen. Er hatte sich von seiner charmantesten, fürsorglichsten, galantesten Seite gezeigt. Er hatte sogar eine Privatführung durch den Buckingham Palace arrangiert. Er hatte sie in den vornehmsten Klub der Stadt zum Lunch geführt und sie staunen sehen, als Minister, Rockstars und Hochadel um ihn herumscharwenzelten. Sie hatten am Nachmittag eine der besten Kunstausstellungen der Welt besucht und den ganzen Abend zärtlichen Liebesspielen gewidmet.
All sein Geschick, jede Technik, jeden romantischen Impuls hatte er eingesetzt, bis sein Repertoire, sein Geist und sein Körper völlig erschöpft gewesen waren. Zutiefst
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