JULIA COLLECTION Band 11
Ein Abriss und Neubau war mit fünfundsiebzig Millionen wesentlich höher veranschlagt worden als eine Sanierung, die sich aber aufgrund der umfangreichen Schäden immerhin auch auf sechzig Millionen belaufen würde.
Das hatte Pete nicht davon abgehalten zu träumen. Er hatte in Austin einen gescheiten jungen Architekten mit innovativen Ideen aufgetan, die angeblich für bloße sechsundfünfzig Millionen zu verwirklichen waren. Doch nach zweijähriger Werbekampagne fehlten Pete immer noch dreißig Millionen. Daher war Avis davon ausgegangen, dass er das Projekt inzwischen aufgegeben hätte. Das Leuchten in seinen Augen verriet jedoch etwas ganz anderes. „Das kann uns ganz an die Spitze bringen, Avis!“
Sie wusste, dass er Enthusiasmus von ihr erwartete, aber dazu fühlte sie sich nicht fähig, zumal sie bisher nicht verstand, worum es eigentlich ging. Sie hob die Papiere vom Fußboden auf und fragte: „Kann ich mir die mal genauer ansehen?“
Er lachte. „Na klar. Inzwischen überprüfe ich Corydon.“
Corydon. Das musste die Firma sein, die ihr Interesse an dem Deal bekundet hatte. Avis lehnte sich an den Schreibtisch und begann zu lesen, während Pete aus dem Raum stürmte.
Corydon beschrieb sich als relativ kleine, aber dynamische New Yorker Investmentfirma und prahlte mit nahezu unbegrenzten Fonds. Sie hielt das Projekt Tex-Bank für ein ausgezeichnetes Anlageobjekt, war an einer begrenzten Partnerschaft interessiert und bat um ein persönliches Meeting mit einem ihrer Repräsentanten zur Besprechung der relevanten Details. Die Unterschrift am Fuß des Briefes war von Charles Anthony Daniels.
Avis staunte über den vertrauten Namen. Daniels war ein bekannter Finanzier, berühmt für seine Extravaganz wie für seine schlauen Investitionen. Wenn er wirklich mit seinem Namen bürgte, war das Angebot mit Sicherheit reell. Anscheinend hatte Pete tatsächlich einen ganz großen Fisch an Land gezogen. Sie freute sich für ihn, und doch war das Gefühl irgendwie hohl.
Pete dagegen schien im siebten Himmel zu schweben, zumal sich Corydon als so integer wie erwartet erwies.
Am Freitag stürmte er mal wieder in Avis’Büro und rief überschwänglich: „Montag ist es endlich so weit. Gütiger Himmel! Ich kann es kaum fassen. Meinst du, dass Charles Anthony Daniels persönlich erscheint?“
„Woher soll ich das wissen? Hat man es dir nicht gesagt?“
„Nicht wirklich.“
„Na ja, ich würde mir deswegen keinen Kopf machen.“
„Aber möchtest du Daniels denn nicht kennenlernen?“
„Nicht unbedingt. Außerdem ist es dein Deal, Pete. Du hast schon daran gearbeitet, lange bevor wir Partner wurden, und unsere Partnerschaft ist beschränkt, sodass es dir freisteht, unabhängig von mir zu operieren.“
„Warum sollte ich? Es ist ein riesiges Projekt, und ich brauche dich dabei.“
„Aber ich habe nicht den Ehrgeiz dafür wie du.“
„Ja und? Dafür hast du den Verstand und den Stil. Deine Ideen sind brillant. Außerdem besteht Corydon ausdrücklich darauf, dass wir beide zum Dinner im Lariat Club erscheinen. Also kein Wort mehr davon, dass du nicht beteiligt bist.“
Sie lächelte vage. „Okay.“
Pete rieb sich die Hände. „Das muss gefeiert werden. Was hältst du davon, wenn wir alle Register ziehen und heute schon mal in den Lariat Club gehen?“
Avis presste die Lippen zusammen und unterdrückte ein Seufzen. Seit jener Cocktailparty bat er sie immer wieder, mit ihm auszugehen, und immer wieder wies sie ihn unter irgendeinem lahmen Vorwand ab. Sie war es ihm schuldig, ihm endlich reinen Wein einzuschenken. „Pete, es tut mir leid, aber ich ziehe es vor, das Geschäftliche so weit wie möglich an dem dafür vorgesehenen Ort zu belassen, nämlich im Büro.“
„Ach, komm schon, Avis. Wir sind ein großartiges Team, du und ich. Da ist es doch nahe liegend, dass wir in mehr als einer Hinsicht gut zusammenpassen.“
Sie blickte ihm unverwandt in die Augen. „Pete, du bist ein großartiger Geschäftspartner und ein guter Freund, aber ich bin nicht an mehr interessiert.“
Niedergeschlagen ließ er die Schultern hängen. „Du willst es nicht mal probieren?“
„Ehrlich gesagt, nein. Ich bin nicht an einer Beziehung interessiert, nicht mit dir, nicht mit sonst jemandem.“ Noch während sie sprach, tat sich eine tiefe Unzufriedenheit in ihr auf, aber davon merkte Pete nichts.
Er seufzte theatralisch und ging zur Tür. Dann, mit der Hand auf der Klinke, grinste er sie hoffnungsvoll an.
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