JULIA COLLECTION Band 11
gar nicht gefallen.“
„Ich werde nicht entschuldigen, dass Sie das sagen, und es geht meine Mutter genauso wenig an wie Sie, mit wem ich schlafe.“
Hettie lächelte nur. „Schon gut“, sagte sie beruhigend. „Ich mache Ihnen einen leckeren Hackbraten zum Dinner. Dann geht es Ihnen gleich besser.“
Er lächelte unwillkürlich, aber es würde wesentlich mehr brauchen als ein gutes Dinner, um seinen Abend zu retten. Und an die bevorstehenden Wochen wollte er lieber gar nicht erst denken.
6. KAPITEL
Avis starrte auf den gebundenen Prospekt in ihren Händen. Die klaren schwarzen Druckbuchstaben und farbigen Diagramme hoben sich deutlich von dem weißen Papier ab, aber bislang hatte sie kein einziges Wort entziffern können. Denn im Geiste sah sie nur Lucien vor sich.
Sie ließ die Broschüre fallen und barg das Gesicht in den Händen. Seit einem Monat bereits wurde sie von diesen ungewollten Erinnerungen gequält, die einfach nicht verblassen wollten, so sehr sie sich auch darum bemühte.
Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Sie zuckte zusammen, griff dann erleichtert über die Ablenkung zu dem schnurlosen Hörer und hob ihn ans Ohr. „Avis Lorimer.“
„Hallo!“
Avis unterdrückte ein Seufzen über den fröhlichen Unterton in Sierras Stimme. „Selber hallo. Wie bekommt dir das Eheleben?“
„Hervorragend. Oh, Avis, ich bin ja so glücklich! Sam ist einfach … umwerfend. Und wie geht es dir?“
„Ach, ganz gut. Ich bin nur sehr beschäftigt.“
„Das haben wir gemerkt. Du hast dich in den letzten Wochen kaum blicken lassen. Bitte sag, dass du zum Dinner kommst.“
„Natürlich. Ich komme sehr gern. Sobald ich Zeit habe.“
„Wie wäre es Freitag?“
„Lass mich mal nachsehen.“ Avis schaute auf ihren Terminkalender. Die Spalte für Freitag war leer, aber das hinderte sie nicht zu sagen: „Da habe ich leider eine geschäftliche Verabredung. Tut mir leid. Du weißt ja, wie es ist.“
„Okay, dann eben Samstag.“
Avis rieb sich die Stirn und behauptete unverfroren: „Am Samstag gehe ich mit Gwyn essen. Du weißt doch, dass sie viel zu selten aus dem Haus kommt.“
„Avis, gehst du mir aus dem Weg?“, fragte Sierra unverblümt.
„Wie kommst du denn darauf? Natürlich nicht. Sei nicht albern.“
Die Bürotür öffnete sich, und Pete stürmte herein und setzte an: „Avis, kannst du bitte … oh, entschuldige.“
Sie hätte nicht glücklicher sein können, ihn zu sehen. „Sierra, mein Partner ist gerade gekommen. Ich muss auflegen. Ich melde mich in den nächsten Tagen, und dann verabreden wir uns. Okay?“ Hastig legte sie den Hörer auf und lächelte Pete an.
Irgendetwas an ihm erinnerte sie stets an den Schauspieler Spencer Tracy. Er war ein attraktiver Mann, überdurchschnittlich groß und gebaut wie ein Schwergewichtsboxer, mit blauen Augen und vorzeitig ergrauten Haaren, die einmal mittelbraun gewesen waren. Vor allem war er ein kluger Geschäftsmann. Das Einzige, was sie an ihm zu bemängeln hatte, war sein Hang, das Geschäftliche mit dem Privaten zu vermischen.
„Was kann ich für dich tun, Pete?“
„Könntest du für mich die Akte Hollow Ridge ausgraben, damit ich mir eine Kopie machen kann? Ich habe meine zu Hause vergessen.“
„Sicher.“ Sie ging zu den Schränken, zog wenige Sekunden später die gewünschte Akte heraus und reichte sie ihm.
„Danke. Ich weiß nicht, wo ich heute Morgen meinen Kopf gelassen habe“, murmelte er, während er in den Unterlagen blätterte.
„Ich weiß, was du meinst. Ich kann mich heute auch nicht konzentrieren.“
Er blicke zu ihr auf. „Stimmt was nicht?“
Sie kräuselte die Nase. „Ich habe wohl nur zu viel gearbeitet in letzter Zeit.“
„Du hast wirklich ganz schön geschuftet, seit du aus London zurück bist, so als müsstest du doppelt so viel schaffen, nur weil du dir einen kleinen Urlaub gegönnt hast. Ich sage dir ja schon dauernd, dass du dich etwas entspannen solltest.“
„Ich glaube, du hast recht. Und falls dein Angebot noch gilt, gehe ich vielleicht doch mit dir zu dieser Cocktailparty am Freitag.“
Verblüfft starrte er sie sprachlos an, bevor er schließlich rief:
„Das ist ja großartig! Wieso hast du es dir anders überlegt?“
Sie wandte den Blick ab und setzte sich wieder hinter den Schreibtisch. „Ach, ich fühle mich nur ein bisschen rastlos.“
Das stimmte zwar, aber vor allem wollte sie eine ihrer besten Freundinnen meiden. Während ihres Aufenthaltes in London hatten Sierra
Weitere Kostenlose Bücher