JULIA COLLECTION Band 12
zu können, und so kam es, dass ihre Lippen mit einem Mal nur Millimeter voneinander entfernt waren. Fast wäre Abigail Dylan auf die Zehen getreten, als sie ins Stolpern geriet.
„Lass dich nicht beirren.“ Seine Stimme kam ihr wie eine Liebkosung vor. „Gleich müsste es ruhiger zugehen.“
Meinte er damit ihren Puls? Der raste nämlich.
Tatsächlich spielte die Band als Nächstes eine langsame Ballade über einen Mann, der einer Frau unrecht getan hatte.
Dylan nahm Abigail fest in die Arme, und sie dachte, dass sie sich dabei wirklich nicht so wohl hätte fühlen dürfen. Sie tanzten Wange an Wange. Anscheinend hatte er sich rasiert, bevor er sie abgeholt hatte, aber trotzdem war seine Haut rauer als ihre. Abigail hielt sich an seinen Schultern fest und genoss es, seine Wärme durch das Baumwollhemd hindurch zu spüren. Die Versuchung drohte sie zu überwältigen. Sie hätte gern die Augen geschlossen, Dylans Kinn geküsst, ihm den Hut weggenommen und mit den Fingern durch sein schwarzes Haar gestrichen.
Randy musste Dylan dreimal auf die Schulter tippen, bevor dieser ihn bemerkte. „Verschwinden Sie“, knurrte Dylan dann.
„Das war nicht sehr freundlich“, meinte Abigail, als Randy mürrisch den Rückzug antrat.
„Verdammt richtig. Er soll sich eine eigene Partnerin suchen.“
Als der Tanz vorbei war, hatte Abigail einen trockenen Mund, und ihr Herz schlug noch heftiger. Als wollte die Band ihr einen Gefallen tun, legte sie eine Pause von einer Viertelstunde ein. „Es ist warm hier drin“, stellte Abigail atemlos fest.
„Wie wäre es mit etwas Kaltem zu trinken?“
„Das wäre großartig. Danke.“
„Bleib hier. Ich stürze mich in die Menge.“ Dylan deutete auf die Leute, die sich um die Badewanne aus Metall versammelt hatten, die mit Eiswürfeln, Bier-und Mineralwasserdosen gefüllt war.
Während Abigail auf ihn wartete, hörte sie zu, wie die Leute um sie herum sich unterhielten. Das meiste war nicht interessant, aber ein Satz erregte ihre Aufmerksamkeit.
„Wie ich hörte, hat er Zigeunerblut“, sagte eine Frau mit blond gebleichtem Haar.
Als sie dann laut darüber nachdachte, wie Dylan wohl als Liebhaber sein mochte, hätte Abigail ihr am liebsten eine Ohrfeige gegeben. Aber was konnte man schon von einer Frau erwarten, die keinen BH trug unter ihrem T-Shirt mit der Aufschrift „Mädchen stehen auf Cowboys“?
Und nun steuerte diese Blondine auch noch auf Dylan zu und griff nach seinem Arm. Als er sie ansah, klimperte sie mit den Wimpern und wackelte mit den Brüsten.
Abigail spürte den starken Drang, hinzugehen und sie anzufauchen: Hände weg, Blondie! Er gehört mir!
Tatsächlich war sie schon zwei Schritte weit gekommen, bevor ihr gesunder Menschenverstand siegte. Was sollte sie nun stattdessen unternehmen? Die Frau anstoßen, sodass sie sich ihr Mineralwasser über das T-Shirt kippte? Das wäre nicht sehr nett gewesen. Andererseits konnte sie dieser plumpen Anmache auch nicht tatenlos zusehen. Das kam gar nicht infrage. Sie überlegte, wie eine ihrer Heldinnen gehandelt hätte. Loretta war heißblütig. Wahrscheinlich …
„Schatz, die Kinder rufen nach ihrem Daddy“, sagte Abigail mit breitem Akzent zu Dylan. „Andy und Billy und Cal und Dudley und Eliot und Fred …“
„Sie haben sechs Kinder?“, fragte die Blonde überrascht.
„Unglaublich, was?“, erwiderte Abigail. „Sie sind wohl nicht aus dieser Gegend, oder?“
„Ich stamme aus Great Falls.“
Dylan grinste. „Ich wünschte, wir könnten uns länger unterhalten, aber Sie haben ja gehört, was meine Frau gesagt hat. Die Kinder warten.“ Er griff nach Abigails Arm und führte sie weg, schnappte sich gleichzeitig jedoch noch zwei Dosen Mineralwasser.
Sobald sie in einer weit entfernten Ecke des Raumes angekommen waren, sagte er: „Lass mich raten. Das war aus deinem Buch ‚Flamme des Westens‘, oder?“
„Woher weißt du das?“
„Ich habe es gelesen. Es hat mir gut gefallen.“
Abigail lächelte und dachte, dass vielleicht doch noch Hoffnung für diesen Mann bestand.
„Aber ist dir kein besserer Name als Fred eingefallen?“, wollte Dylan wissen.
„Was?“
„Als du unsere Kinder aufgelistet hast, übrigens alles Jungen, wie ich hinzufügen möchte. Wünschst du dir keine Töchter?“
„Es war doch nur ein Witz!“
„Dass du unseren Sohn Fred nennen willst? Das beruhigt mich.“
„Ich werde ihn stattdessen Ferdinand nennen.“ Sie warf den Kopf zurück.
„Du bist gut“,
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