JULIA COLLECTION Band 12
mir die richtige Sorte schickt. Ah, wie ich sehe, haben Sie sich schon mit den Nachbarn angefreundet.“
Keisha betrachtete die Behälter mit dem Sauerkraut und der Salsa und die Flasche Ouzo.
„Alle waren so nett“, sagte Brenda.
„Uns haben sie nicht gerade willkommen geheißen, aber Tyrone und ich sind auch erst anderthalb Jahre hier. Die anderen wohnen seit Jahrzehnten in diesem Haus. Außer dem neuen Besitzer. Er ist erst vor ein paar Wochen eingezogen, und nun sitzt er fest in dieser alten Bruchbude.“
„Ich finde das Haus wunderschön.“
„Das liegt daran, dass Sie nicht hier wohnen.“
„Das tue ich jetzt. Ich werde heute Nachmittag in die Souterrainwohnung ziehen.“
„Schnelle Arbeit.“ Keisha nickte anerkennend. „Ich habe auch rasch gehandelt, als ich meinen Tyrone kennengelernt habe. Und ich weiß, wie es ist, wenn man als Frau Männerarbeit tut. Ich gehöre zur Wachmannschaft der Hauptstelle der städtischen Bücherhalle von Chicago.“
„Oh.“
„Jedenfalls wird es schön sein, noch jemanden in meinem Alter im Haus zu haben. Wie ist es nun mit dem Kaffee?“
„Ich trinke gern einen. Aber Sie haben sich doch Wasser für ein Bad eingelassen.“
„Das ist so heiß, dass ich bestimmt erst in zehn Minuten reinsteigen kann. Sagen Sie mir, was Sie von Ihrem neuen Boss halten? Ist er nicht attraktiv?“
Das Telefon klingelte gerade, als Michael in sein Apartment zurückkam. „Hallo?“ Als Erstes hörte er nur lautes Knistern. „Hallo?“, wiederholte er lauter.
„Hier … ist … dein …Vater.“
„Wo bist du? Geht es euch gut?“
„Uns geht es wunderbar. Ich stehe hier an einem Münztelefon. Die sind nicht besonders gut in Bali.“ Es knisterte wieder. „Deine Mutter wollte, dass ich anrufe. Ist alles in Ordnung bei euch?“
„Bestens. Ich habe gestern mit Gaylynn gesprochen.“ Michaels jüngere Schwester war Lehrerin in Chicago.
„Gut, gut.“
Michael spürte, dass sein Vater sich gleich verabschieden wollte. „Warte, Dad, ich muss dich was fragen. Was hat es auf sich mit dem Familienfluch?“
3. KAPITEL
Zuerst war wieder nur Knistern zu hören. „Was?“, fragte Michaels Vater dann.
„Weißt du etwas über einen Familienfluch?“
„Ein Buch?“ Sein Vater konnte ihn offenbar kaum verstehen.
„Was für ein Buch?“
„Nicht Buch“, brüllte Michael. „Fluch! Ich habe heute ein Kästchen aus Ungarn bekommen.“
„Du hast Hunger? Dann solltest du etwas essen. Du weißt, dass deine Mutter sich Sorgen um dich macht.“
„Kasten!“, schrie Michael. „Ich habe ein Kästchen bekommen!“
Aber sein Vater hörte ihm schon nicht mehr zu. „Ich muss Schluss machen. Deine Mutter sieht sich gerade eine Statue an, die so groß ist wie der Sears Tower. Ich habe ihr gesagt, dass wir schon zu viele Souvenirs haben. In ein paar Tagen rufe ich dich wieder an.“
Michael legte frustriert auf und fluchte leise vor sich hin. Unwillkürlich fiel sein Blick auf das geheimnisvolle Kästchen, das noch auf der Stereoanlage stand, wo Brenda es abgestellt hatte. Michael fühlte sich zwar stärker mit den Roma verbunden als seine jüngeren Geschwister, aber trotzdem hielt er nichts von Aberglauben.
Es war bloß ein Kästchen, nichts weiter. Er hob es hoch und musterte die Zeichen auf dem Deckel. In der linken Ecke befanden sich vier Mondsicheln und darunter Palmen und ein Segelschiff. Rechts stand eine Sonne über einer Bergkette. Das Zentrum der Sonne schmückte ein roter Stein.
Michael hielt das Kästchen ans Licht, um mehr erkennen zu können. In die Seiten war auch etwas eingraviert. War das ein Zauberer? Fasziniert öffnete er noch einmal den Deckel. Diesmal hatte er kein so seltsames Gefühl dabei wie vorhin, als Brenda da gewesen war. Das bestätigte ihm, dass seine Reaktion wohl doch bloß am Hunger und Schlafmangel gelegen hatte, nicht an einem alten Familienfluch.
Der Kasten war nicht leer, wie er angenommen hatte. Ein silberner Schlüssel lag darin, der sehr alt zu sein schien. Michael nahm ihn in die Hand und fühlte sich auf seltsame Weise mit diesem mysteriösen Gegenstand verbunden.
Er hatte Geheimnisse immer geliebt. Es gefiel ihm, logische Erklärungen für vertrackte Probleme zu finden. Dass das Kästchen ihn faszinierte, war kein Wunder. Dass Brenda ihn faszinierte, war viel weniger leicht zu verstehen.
Das nächste Mal sah Michael Brenda am späten Nachmittag. Sie kämpfte offenbar gerade mit einigen Straßenkids um eine riesige Matratze.
„Ich
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