JULIA COLLECTION Band 14
Panik aus. Er starrte sie unter zusammengezogenen Brauen wütend an. „Was?“
Sie kniete auf der anderen Seite des Bettes, auf die sie gerollt war, als er so hastig aus dem Bett gesprungen war und sie dabei zur Seite gestoßen hatte. Sie hielt das Betttuch krampfhaft fest und sah ihn verstört an. Ihre dunklen Locken waren zerzaust von ihrer Liebesnacht, und ihr Mund – dieser wunderschöne, weiche, erotische Mund – war nur noch eine schmale Linie.
Sie hatte ihn letzte Nacht ohne jede Zurückhaltung geliebt, hatte sich ihm ganz hingegeben und jedes Experiment genossen, und bei dem Gedanken daran empfand Willis Zuneigung und Frustration zugleich. Und weil er von ihr so fasziniert war, hatte er es versäumt, die wichtigste Entdeckung seiner akademischen Karriere zu machen, eine Entdeckung, auf die er sein halbes Leben hingearbeitet hatte.
Außerdem würde sie auch wieder aus seinem Leben verschwinden, sowie der Komet sich von der Erde entfernte. Wie hatte er das vergessen können?
„Willis, was ist los?“ Ihre Stimme war kaum zu hören.
„Was los ist?“, wiederholte er nur. „Was los ist?“
Sie nickte, ohne etwas zu sagen. Die Spannung, die zwischen ihnen herrschte, nahm ihr fast den Atem.
„Ich werde dir sagen, was los ist“, erklärte er und ging wieder zum Bett. Er beugte sich vor, stützte sich auf der Matratze auf und starrte Rosemary an. „Letzte Nacht hatte ich die einmalige Gelegenheit, Bobrzynyckolonycki während seiner größten Annäherung an die Erde zu beobachten, und ich habe sie verpasst. Ich habe die ganze Nacht verschwendet.“
Sie wurde weiß wie das Betttuch, das sie immer noch umklammerte. „Du hältst die letzte Nacht also für verschwendet?“
Er stieß heftig die Luft aus und ließ Rosemary nicht aus den Augen. „Wie würdest du es denn nennen? Ich habe nicht am Teleskop gesessen, was ich hätte müssen, und ich habe nicht das getan, was ich hätte tun sollen. Ich habe keine einzige Beobachtung gemacht, keine einzige Messung, keine einzige Aufzeichnung von Bobrzynyckolonycki, während er der Erde am nächsten war. Ich habe vollkommen versagt in der Nacht, die die wichtigste meines Lebens hätte sein sollen.“
Sie nickte, stand dann langsam auf und schlang sich das Betttuch um den Körper wie einen Sari. Trotz seines Ärgers sehnte Willis sich danach, ihr das Laken wegzuziehen, sie in die Arme zu nehmen, sie zu küssen und sie von Neuem zu lieben. Doch irgendetwas hinderte ihn daran, und so beobachtete er sie nur, wie sie sich zurückzog – auch von ihm und aus seinem Leben, das war ihm in diesem Augenblick ganz klar.
„Das ist wirklich komisch“, sagte sie, und ihre Stimme klang todernst. „Denn ich hatte den Eindruck, dass die letzte Nacht wirklich die wichtigste Nacht meines Lebens war.“
Er holte tief Luft, wusste aber nicht, was er darauf antworten sollte. Natürlich hatte er das, was er gesagt hatte, nicht so gemeint, wie sie es jetzt deutete. Er hatte nur, ohne nachzudenken, seinem Ärger Luft gemacht, ohne an seine Gefühle ihr gegenüber zu denken. Aber so war es ja immer gewesen, wenn es um Rosemary ging. Er hatte sich immer eingeschärft, nicht die Frau und seine Gefühle für sie waren wichtig, sondern nur, dass er einen klaren Kopf behielt.
„Die letzte Nacht hat für dich wohl nichts verändert?“, fragte sie.
Er versuchte, eine Antwort zu umgehen, indem er die Frage zurückgab. „Warum sollte die letzte Nacht etwas verändert haben?“
Sie sah ihn sekundenlang ernst, ja beinahe traurig an. „Ich hätte es wissen sollen“, sagte sie dann leise.
„Was hättest du wissen sollen?“, gab er sichtlich genervt zurück.
„Ich hätte wissen müssen, dass du ein Opfer bringen musstest, um so ein genialer Wissenschaftler zu werden.“
„Und was, zum Teufel, sollte dieses Opfer sein?“
Statt ihm zu antworten, riss sie nun das ganze Betttuch an sich. Dann ging sie in Richtung Tür, ohne zu erklären, was sie ihm vorwarf.
„Rosemary!“, schrie er, als sie nach dem Türknauf griff. Warum regte er sich nur so auf? Sowie der Komet und mit ihm seine Einflusssphäre verschwinden würde, würde die Bedeutung, die Rosemary dem beimaß, was gestern passiert war, sich in Luft auflösen. Sobald der Komet sich weit genug entfernt hatte, würde die ganze Stadt aufatmen. Jedermann würde wieder normal reagieren, und Rosemary würde ihn wieder hassen wie früher. Warum sollte man das Unvermeidbare weiter hinauszögern? Dennoch wollte er noch wissen, was sie
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