JULIA COLLECTION Band 14
seinen Freunden – wer immer diese Bezeichnung verdiente – noch seiner Familie oder seinen Geliebten gegenüber. Aber bei dieser Fremden war das anders. Erstaunlich.
Andererseits war sie keine Fremde. Zumindest nicht mehr. Begley hatte auf seinem Angelausflug heute Nachmittag allerhand über sie erfahren.
Er sah ihr verwundert nach, als sie allen voran die Treppe hinauflief und sich, im Gegensatz zu den anderen, nicht mehr nach ihm umdrehte. Erst als sie alle außer Sicht waren, entspannte er sich und ging noch einmal die Informationen durch, die sein Butler im Lauf eines kurzen Nachmittages in der Stadt zusammengetragen hatte.
Begley hatte in geradezu poetischen Umschreibungen vom „Dew Drop Inn“ geschwärmt, besonders von der Besitzerin namens Juwel, einer Dame mit üppigen Formen. Glücklicherweise hatte sie sich als gute Informationsquelle über Kirby Connaught erwiesen.
Laut ihrer Aussage war Kirby eine sehr anständige Frau, der Inbegriff von Moral und Unschuld. Nie kam ein böses Wort über ihre Lippen – außer James gegenüber, wie es schien. Niemals benahm sie sich schlecht – wenn man von dem Diebstahl seiner Champagnerflasche einmal absah.
Sie war eine Waise aus bescheidenen Verhältnissen, die noch immer in dem Haus wohnte, in dem sie aufgewachsen war. Darüberhinaus war sie jedoch auch eine mutige Unternehmerin, die als Innenarchitektin Fuß zu fassen versuchte. Sie ging regelmäßig in die Kirche, liebte die Kunst, war eine begeisterte Gärtnerin und verlässliche freiwillige Helferin. Früher war sie Cheerleader, Klassensprecherin, freiwillige Helferin im Krankenhaus und Pfadfinderin gewesen. Zudem ging das Gerücht, dass sie noch Jungfrau war.
Diese letzte Information hatte James beeindruckt. Sicher war das Gerücht falsch. Die Männer in dieser Stadt konnten diese verlockende, hinreißende, sinnliche Frau kaum übersehen haben. Doch mittlerweile dämmerte es ihm, dass diese Information tatsächlich der Wahrheit entsprach. Kirbys Verhalten ihm gegenüber war so spontan und ungekünstelt gewesen, dass es wirklich den Verdacht, sie könnte noch Jungfrau sei, nahelegte.
Aber wie hatte es passieren können, dass kein Mann es geschafft hatte, sie zu erobern? Natürlich bestand die Möglichkeit, dass Kirby dafür selbst verantwortlich war. Vielleicht gab sie einfach jedem Mann, der sich ihr näherte, einen Korb. Hatte sie das nicht auch bei ihm getan? Vielleicht war sie frigide und an Sex absolut uninteressiert. Sie konnte auch eine Männerhasserin sein.
Nein, das war sie nicht. Ihre Reaktion auf seine Berührungen bewiesen das. Im Gegenteil, von ihr ging ein tiefes, starkes Verlangen aus. Kirby hatte einen normalen sexuellen Appetit, daran bestand kein Zweifel. Was James nicht verstehen konnte, war, weshalb sie sich so dagegen wehrte, diesen Appetit zu stillen.
Er sah auf die Ausgabe von „Tattle Tales“, die so unschuldig im Regal lag. James hatte zwar die Ehrung zum begehrtesten Mann Amerikas mit Stolz angenommen, den Artikel dazu jedoch nicht gelesen. Denn im Grunde war es ihm egal, was darin stand. Bis er Kirby beim Lesen beobachtet hatte. Jetzt fragte er sich zwangsläufig, welche Schlüsse sie aus der Lektüre gezogen hatte.
Wahrscheinlich keine, die schlimmer waren als die, die sie ohnehin schon gezogen hatte. Für einen solchen Inbegriff von Unschuld, Anstand und Güte war es sicher leicht, nur das Schlimmste in den Menschen zu sehen, die einen ganz anderen Lebensstil hatten.
Widerwillig nahm er die Zeitschrift und betrachtete so gleichgültig wie möglich sein Bild auf dem Titelblatt. Das Foto war nicht eines der besten, aber es war nicht schlecht. Die Überschrift war allerdings ein bisschen hart. Er war kein solcher Macho, dass es ein Ausrufungszeichen gerechtfertigt hätte. Er ließ sich in einen Sessel sinken und begann zu lesen.
3. KAPITEL
Nach einer Stunde verließ Kirby das Treffen des Komitees voller Furcht und freudiger Erwartung. Zum Teil hoffte sie, James hätte endlich genug von dem Spiel, das er mit ihr spielte, und würde sich jemand anderem zuwenden. Andererseits wünschte sie sich inständig, er möge noch unten im Leseraum auf sie warten.
Und das tat er. Er saß bequem in dem burgunderroten Sessel, in dem sie vorher gesessen hatte. Die langen Beine hatte er ausgestreckt und am Knöchel gekreuzt. Er las in einem Magazin auf seinem Schoß. Den einen Ellbogen hatte er über die Lehne gelegt, mit der freien Hand rieb er sich das kantige Kinn.
Warum
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