JULIA COLLECTION Band 14
raten. Es war eine Austauschstudentin, die kein Wort Englisch konnte und aus einer kleinen Stadt in Obervolta kam, wo das Durchschnittsalter der ledigen Männer bei zweiundsiebzig liegt.“
Willis schoss ihr einen giftigen Blick zu. „Was redest du da. Du hast doch keinen Schimmer, wo Obervolta liegt.“
„Wirklich? Bist du dir da so sicher?“
Doch bevor die Auseinandersetzung weiter ausufern konnte, schaltete sich Janet March wieder ein. „Und du hast weder das College noch die Kosmetikschule zu Ende gemacht, Rosemary. Da wäre ich ganz ruhig an deiner Stelle.“
Rosemary biss sich auf die Unterlippe und blickte zu Boden. Im Grunde war sie aus dem College geflogen, wenn sie sich richtig erinnerte, aber sie würde das vor ihrer Mutter und vor Willis nie zugeben. Und die Kosmetikschule war nichts für sie gewesen, sie hätte dafür viel zu viel Chemie pauken müssen. Im Übrigen war sie mit ihrem Job im Reisebüro ausgesprochen zufrieden. Weshalb hätte sie also zum College gehen sollen?
Sie blickte hoch. Willis grinste. Dieses arrogante Streuselkuchengesicht …
Okay, sie musste zugeben, dass er nur noch arrogant war, und kein Streuselkuchengesicht mehr hatte. Er grinste so selbstgefällig, weil er genau wusste, wie sehr ihr Versagen ihr zu schaffen machte. Und ganz sicher teilte er die negative Einschätzung ihrer Mutter.
Rosemary atmete tief durch und richtete sich auf. Schließlich war sie eine erwachsene Frau von dreißig Jahren, hatte einen guten Job und ein ausgefülltes Leben. Und niemand, weder ihre Mutter noch Willis Random, würde sie dazu bringen, sich wieder so minderwertig zu fühlen wie damals als Teenager.
Mit dem Selbstbewusstsein war es so eine Sache. Rosemary hatte Jahre gebraucht, um es aufzubauen, und sie würde nicht zulassen, dass Willis mit seinen fünf Diplomen nun alles wieder zunichte machte.
„Ich habe einen guten Job, Mom“, sagte sie mit Nachdruck und versuchte, möglichst viel Festigkeit in ihre Stimme zu legen.
„Du hättest Programmiererin werden können“, erinnerte sie ihre Mutter, „wenn du nur auf dem College geblieben wärest.“
Willis lachte laut los. „Du hast Informatik studiert? Das kann ja nur ein Witz sein. Das hättest du doch nie gebracht.“
Mrs. March seufzte leise. „Ja, ich glaube, ihr Vater und ich hätten von Anfang an wissen müssen, dass das nichts für Rosemary war. Aber sie wollte es damals unbedingt. So als wollte sie damit etwas beweisen, und ich hatte einfach nicht das Herz, sie davon abzubringen.“
Rosemary fühlte, wie sich ihr Magen zusammenzog, aber sie zwang sich, Willis direkt anzusehen. „Ja, ich“, sagte sie ruhig. „Ich habe ein Semester lang Informatik studiert. Dann habe ich eingesehen, dass du recht hattest, Willis. Ich war für das College nicht geeignet. Und auch ganz sicher nicht für die Wissenschaft. So habe ich mir eine Arbeit gesucht, die mir gefällt. Und die ich sehr gut mache. Was ist also dagegen zu sagen?“
Er schwieg und sah sie nachdenklich an. Sie hätte zu gern gewusst, was ihm jetzt durch den Kopf ging. „Nichts“, sagte er schließlich. „Womit verdienst du dir denn deinen Lebensunterhalt?“
Das klang beinahe so, als interessiere es ihn wirklich. „Ich arbeite in einem Reisebüro.“ Immer wieder sagte sie sich, dass sie keinen Grund hatte, sich dafür zu entschuldigen.
Er nickte. „Dann wirst du wohl endlich all die Gegenden in der Welt besuchen können, die du schon immer kennenlernen wolltest?“
Janet machte eine abwehrende Handbewegung und lächelte. „Oh, Rosemary reist nie irgendwohin. Sie hat schreckliche Angst vorm Fliegen, und ihr wird auch immer gleich schlecht.“
Willis sah Rosemary verwundert an, und wieder hätte sie gern gewusst, woran er dachte. Warum ist er bloß gekommen, fragte sie sich, und was bedeutet die Ankündigung der Mutter, er sei Gast im Haus?
„Warum bist du hier?“, fragte sie wieder.
„Das habe ich dir doch schon erzählt, Liebes“, warf Janet ein. „Er wird den Kometen beobachten.“
Rosemary sah ihre Mutter an. „Das meine ich nicht. Was will er hier, in meinem Haus?“
Janet March lächelte etwas gezwungen. „Er wird in der Zeit hier im Haus wohnen.“
Rosemary riss die Augen auf. „Was wird er?“
Ihre Mutter wollte schon antworten, aber Willis unterbrach sie mit einer Handbewegung. „Bitte, Mrs. March.“
Er schwieg und blickte auf Rosemary herunter, als überlege er, wie er sich einem schlichten Menschen wie ihr verständlich machen
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