JULIA COLLECTION Band 15
alten Wunden heilen. Wie alle anderen wollte sie etwas von ihm, und das durfte er nie vergessen.
„Hey“, sagte sie leise und strich ihm leicht mit den Fingern über den Handrücken. „Wo bist du jetzt mit deinen Gedanken?“
„Ich bin gerade in die Wirklichkeit zurückgekehrt“, antwortete er entschieden.
Bevor sie fragen konnte, wie er das meinte, kam das Essen. Er stürzte sich gleich darauf, aber Melanie zögerte eine Weile. Erst nachdem sie das Krabbensandwich gekostet hatte, taute sie wieder auf.
„Schmecken die Krabben nicht toll?“, fragte sie begeistert.
Er nickte. „Sogar tiefgefroren und außerhalb der Saison. Die hier sind sogar besser als in den teuersten Restaurants von Washington.“
„Was ist das für ein Gewürz?“, fragte sie nach dem nächsten Bissen. „Das macht es richtig pikant.“
„Warum willst du das bei deiner Unfähigkeit in der Küche denn überhaupt wissen?“
„Ich kann auch lernen“, behauptete sie. „Ganz hoffnungslos bin ich nicht.“
„Warum willst du dir die Mühe machen, wenn du einfach herkommen kannst?“
„Das ist nicht so einfach“, widersprach sie. „Bisher war ich noch nie in dieser Gegend.“
„Wegen des Krabbensandwichs kommst du bestimmt wieder. Vielleicht lade ich dich sogar ein.“
„Wahrscheinlich verhungere ich, wenn ich darauf warte“, wehrte sie ab. „Es wäre schon nett, wenn man nicht immer auswärts essen muss“, fuhr sie bedauernd fort. „Und tiefgekühlte Fertiggerichte mag ich nur im Notfall.“
Richard erging es ähnlich. Auch er aß zu oft an seinem Schreibtisch oder in Restaurants. Dafür dachte er gern daran, wenn Destiny ihn und seine Brüder zu sich einlud. Sie war eine ausgezeichnete Köchin, aber noch viel wichtiger waren das Beisammensein und die Unterhaltung bei Tisch. „Erzähle mir von deiner Familie“, bat er.
„Von meiner Familie?“, fragte sie überrascht.
„Ja. Ist sie groß oder klein? Wo wohnen deine Angehörigen?“
„Ich habe zwei ältere Schwestern. Beide sind verheiratet, haben keinen Ehrgeiz und sind schrecklich zufrieden mit ihren Ehemännern und Kindern. Sie leben in Ohio in der Nähe unserer Eltern. Alle liegen mir wegen meines Single-Daseins in den Ohren.“
„Wart ihr euch nahe?“
Melanie lächelte. „So nahe, wie drei Mädchen sich stehen können, wenn alle drei dasselbe Kleid zum Tanzen anziehen wollen.“
„Und beneidest du deine Schwestern?“
„Manchmal“, gestand Melanie nachdenklich. „Ich liebe meinen Beruf und bin ehrgeizig. Trotzdem wünsche ich mir jemandem, mit dem ich alles teilen kann.“
„Ich weiß genau, was du meinst“, erwiderte er.
„Wirklich?“, fragte sie erstaunt.
„Sicher. Was hat man von den größten Erfolgen, wenn man mit niemandem darüber reden kann und niemand sich mit einem freut?“
„So ist es“, bestätigte sie. „Wir sind nicht unzufrieden oder undankbar. Uns ist nur klar, dass man im Leben mehr haben könnte. Und das ist doch richtig, oder?“
„Selbsterkenntnis ist immer gut.“
„Warum hast du dann keine der Frauen geheiratet, mit denen du bisher zusammen warst?“, erkundigte sie sich.
Er schauderte allein schon bei der Vorstellung. „Weil ich mit keiner von ihnen in ein Lokal wie dieses für ein Krabbensandwich und ein Stück Apfelkuchen hätte gehen können.“
„Wirklich nicht?“, fragte sie lächelnd.
„Wirklich nicht“, bestätigte er. „Das sollte dir aber keinesfalls gleich zu Kopf steigen.“
„Keine Sorge“, beteuerte sie.
„Und es bedeutet auch nicht, dass ich dir den Vertrag geben werde“, fügte er sicherheitshalber hinzu.
„Das weiß ich“, betonte sie, lächelte jedoch recht zufrieden.
„Es bedeutet nur, dass du mich stark an Destiny erinnerst“, fuhr er fort. „Du nimmst kein Blatt vor den Mund, bist unberechenbar und …“
„Offen für neue Ideen?“, ergänzte sie, als er stockte.
„Treib es nicht zu weit“, warnte er lachend.
„Aber wenn man für neue Ideen offen ist, ist man nicht …“
„Steif“, fiel er ihr ins Wort, bevor sie es aussprechen konnte. „Ja, ja, ich habe schon verstanden.“
„Wirklich?“, fragte sie eindringlich.
„Ja, wirklich.“
„Dann sollten wir jetzt vielleicht zurückgehen“, schlug sie vor.
„Damit du mir deinen Plan vorlegen kannst?“
„Das auch, aber ich habe vor allem daran gedacht, alle Hemmungen abzustreifen und mich wieder von dir küssen zu lassen.“
Richard traute seinen Ohren nicht. „Wie kommst du denn jetzt
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