JULIA COLLECTION Band 17
Behauptung gibt. Vielleicht halluziniert er nur. Oder er hat es sich ausgedacht, um alle auf die Folter zu spannen. Aber wenn er die Wahrheit gesagt hat, muss es in den Akten deines Dads irgendwelche Hinweise geben.“
Caroline nickte. „Na gut“, sagte sie nach einer Weile und schob sich eine Locke hinter das linke Ohr. „Ich suche die Akten heraus und melde mich bei dir, sobald ich kann.“
Rafe blieb stehen und schaute über die Schulter. „Was heißt ‚sobald du kannst‘?“
„Das weiß ich noch nicht.“
Er drehte sich zu ihr um und zog eine Augenbraue hoch. Sie wurde blass, und erst jetzt bemerkte er die dunklen Schatten unter ihren Augen und die Sorgenfalten um Mund und Nase. Sie massierte sich eine Schläfe, als hätte sie Kopfschmerzen.
„Was ist los?“, fragte er.
„Nichts.“ Sie lächelte schief. „Im letzten Monat ist hier alles ein wenig kompliziert geworden, aber ich habe es bald wieder im Griff.“
„He, du redest mit mir“, sagte er und klopfte sich an die Brust. Dann ging er um den Schreibtisch herum, schob einen Ablagekorb zur Seite und setzte sich direkt neben ihrem Sessel auf die Kante. „Was geht hier wirklich vor, Caro?“
Die ernstliche Besorgnis, die sie in seinen Augen sah und in seiner Stimme hörte, raubte ihr beinahe die Fassung. Warum hatte er so bald zurückkommen müssen?
Aber sie brauchte weder Rafe Stockwell noch irgendeinen anderen Mann. Sie war eine starke, unabhängige Frau, die selbst für sich sorgen konnte. Und für ihr Baby. Sie reagierte nur deshalb so heftig auf Rafes Nähe, weil ihre Hormone im Aufruhr waren. Sobald ihr kleiner Liebling geboren war, würde sich alles normalisieren.
„Hier geht nichts vor, Rafe“, beteuerte sie und rollte den Sessel ein Stück von ihm fort. „Wirklich nicht. Die Akten, die du willst, sind wahrscheinlich in den Kartons, die vorne stehen“, wechselte sie das Thema.
„Aber du weißt nicht, in welchen?“
Sie gab es nur ungern zu. „Nein. Die Krankheit hat Dad misstrauisch gemacht. Ehrlich gesagt, es grenzt an Verfolgungswahn. Er beschuldigt mich, sein Geld zu stehlen, und deshalb hat er die meisten seiner alten Akten an den seltsamsten Orten versteckt. Ich glaube, inzwischen habe ich sie alle wieder gefunden, aber ich habe es noch nicht geschafft, sie durchzusehen und zu archivieren.“
„Kann deine Sekretärin das nicht übernehmen?“
„Im Moment habe ich keine Sekretärin.“
„Warum nicht?“
„Sie hat gekündigt, als ich meinen Vater ins Pflegeheim brachte.“
„Ich verstehe nicht, was sie das angeht“, meinte Rafe.
Caroline zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, sie war heimlich in ihn verliebt. Jedenfalls fand sie, dass ich ihn hätte zu Hause behalten sollen. Ich bezweifle, dass sie wusste, wie gewalttätig er geworden war. Oder dass er orientierungslos umherirrte.“
„Es tut mir leid, das zu hören“, sagte Rafe. „Clyde war immer ein guter Mensch.“
Als Caroline spürte, wie ihr erneut die Tränen kamen, wandte sie rasch das Gesicht ab. Sie atmete tief durch und presste die Lippen zusammen, bis der Schmerz in ihrer Brust zu einem dumpfen Druck wurde. Sie weinte nie. Jedenfalls nicht vor anderen.
Tapfer hob sie das Kinn und sah Rafe an. „Danke. Wo waren wir?“
„Du hast erzählt, dass deine Sekretärin gekündigt hat. Was ist mit der jungen Frau, die vorn am Empfang sitzt?“
„Wegen des Babys habe ich keinen neuen Mandanten mehr angenommen, und wir hatten nicht sehr viel zu tun, also habe ich ihr drei Monate unbezahlten Urlaub gegeben, damit sie mit ihrem Mann auf Reisen gehen kann. Sie kommt in ein paar Wochen zurück.“
„Also abgesehen von der Schwangerschaft und den Problemen mit deinem Daddy führst du die Kanzlei auch noch ganz allein?“, fragte Rafe empört.
„Vorläufig.“
„Das ist doch verrückt.“
„Ich schaffe es schon“, erwiderte sie so kühl wie möglich. „Wann brauchst du die Akten?“
Rafes Blick verriet, dass er ihr Ablenkungsmanöver durchschaute. „Gestern. Wir sind alle ziemlich angespannt.“
„Das kann ich mir vorstellen.“ Sie tippte mit dem Bleistift auf den Notizblock. „Okay, ich werde eine Aushilfe einstellen und …“
Er schüttelte den Kopf und stand auf. „Vergiss die Aushilfe, Caro. Ich helfe dir.“
Sie kam sich plötzlich so klein vor und erhob sich ebenfalls. Da Rafe so groß war und ihr Bauch einigen Platz beanspruchte, schrumpfte der Raum hinter ihrem Schreibtisch schlagartig zusammen. Auffordernd sah sie ihn an
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