JULIA COLLECTION Band 17
Menschen, denen sie ihr ganzes Leben zu gefallen versucht hatte, nie erhalten hatte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, ihren Hund verraten zu haben.
Sie drehte sich weg und nahm die Flasche aus dem Apothekenbeutel. Doch bevor sie damit zur Spüle gehen konnte, hielt Rafe sie am Arm fest.
„Lass mich los“, sagte sie so ruhig wie möglich.
Er runzelte die Stirn. „Ich habe ihm nicht wehgetan, Caroline.“
„Das habe ich auch nicht behauptet.“ Sie riss sich los.
„Sollte ich mich etwa von ihm beißen lassen?“
„Natürlich nicht.“ Sie stellte die Flasche ab, nahm ein Glas aus dem Schrank und suchte in einer Schublade nach einem Löffel.
„Warum bist du dann böse?“
„Ich habe nicht gesagt, dass ich böse bin.“
„Das brauchtest du auch nicht. Deine Körpersprache sagt alles.“ Er beobachtete, wie sie das Mittel aus der Flasche auf den Löffel goss und ihn in den Mund schob. „Was nimmst du da?“
„Medizin.“
„Medizin wogegen?“
„Keine Sorge, der Arzt hat sie mir verschrieben.“
„Arzt? Wann warst du beim Arzt?“
Demonstrativ sah sie auf die Uhr. „Vor etwa einer Stunde. Während du hier auf mich gewartet hast.“
Rafe wurde blass und eilte zu ihr. „Geht es dir gut? Ist etwas mit dem Baby?“
„Uns beiden geht es gut“, versicherte sie ihm.
„Was ist passiert?“
„Ich hatte Schmerzen in der Brust, also bin ich zum Arzt gegangen.“
Sein Gesicht verlor noch mehr Farbe. „Brustschmerzen?“
„Ich war nicht zum Vergnügen beim Arzt, glaub mir. Und danach hat es ewig gedauert, bis ich das Medikament hatte“, erzählte sie.
Verwirrt schüttelte er den Kopf. „Augenblick mal. Du hattest Brustschmerzen, also bist du zum Arzt gefahren? Du hättest einen Herzanfall bekommen können. Warum hast du mich nicht gerufen? Oder einen Krankenwagen?“
„Dazu war keine Zeit.“
Er murmelte etwas, und sie war froh, dass sie es nicht verstand. Dann holte er tief Luft und kniff sich in die Nase.
„Okay“, fuhr er so langsam und väterlich fort, dass sie ihm am liebsten einen Tritt verpasst hätte. „Darauf kommen wir noch zurück. Offenbar war es nicht ernst genug, um dich ins Krankenhaus einzuweisen. Würdest du mir also bitte erklären, was los war?“
Seine Frage brachte den Schmerz zurück, den sie gerade ertragen hatte. Und die herablassende Art des Doktors, der sie behandelte, als wäre sie nur eine in einer langen Reihe hysterischer Erstgebärender, die nichts über die Schwangerschaft wussten und ihm damit seine wertvolle Zeit raubten.
Offenbar verstand Rafe ihre Ängste ebenso wenig wie der arrogante Mediziner. Warum war sie nicht zu einer Ärztin gegangen?
„Caroline, was war los?“, wiederholte Rafe.
„Es war nichts Schlimmes“, fauchte sie ihn an.
„Du hättest am Steuer einen Herzinfarkt erleiden können, und das nennst du nichts Schlimmes?“, fragte er entgeistert.
Sie warf den Löffel ins Spülbecken und knallte das Glas auf die Arbeitsplatte. „Ja. Es war heftiges Sodbrennen.“
„Nur Sodbrennen? Und deshalb hast du mir das alles zugemutet?“
„Ich habe dir gar nichts zugemutet“, widersprach sie scharf. „Und es war nicht ‚nur‘ Sodbrennen. Es war ein schmerzhafter Rückfluss von Magensäure, weil das Baby von unten gegen den Magen drückt.“
„Dann durftest du nicht selbst fahren. Warum zum Teufel hast du niemanden um Hilfe gebeten?“
„Seit ich zu Hause ausgezogen bin, um aufs Internat zu gehen, passe ich selbst auf mich auf.“ Sie lachte bitter. „Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass es jemanden gibt, den ich anrufen könnte.“
Rafe war schockiert. Wie konnte sie so etwas sagen, nachdem er ihr ausdrücklich seine Hilfe angeboten hatte? Er war ein Mann, der seine Versprechen hielt, das musste sie doch wissen. „Ich habe doch gesagt, dass ich für dich da bin, wenn du mich brauchst. Hast du mir das nicht geglaubt?“
„Doch.“ Sie schaute über seine linke Schulter. „Ich dachte nur, du würdest dich nicht gerade freuen, wenn ich dich vor neun Uhr morgens anrufe.“
„Ich kriege rund um die Uhr Anrufe. Das gehört zu meinem Beruf.“
„Genau. Dafür wirst du bezahlt. Aber ich bin keine Kollegin, und ich erwarte weder von dir noch von jemand anderem derartige Dienstleistungen.“
„Dienstleistungen?“ Zutiefst gekränkt stellte er sich vor sie. „Dienstleistungen bekommst du vom Gärtner oder dem Typen, der die Pizza liefert. Ich finde, unsere Freundschaft ist mehr als das. Du kannst mich jederzeit
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