JULIA COLLECTION Band 20
gleich wieder gefahren, doch dann hätte die Frau das Mittagessen sicher ausfallen lassen. Und das Abendessen vielleicht auch. Aber sie hatte bestimmt eine Menge Freunde, die sie um Hilfe bitten konnte. Bei ihrem Aussehen musste sie die Männer wahrscheinlich auf Schritt und Tritt abwehren. „Ich kann auch in der Küche essen, wenn Sie jetzt lieber allein sein möchten. Oder ich fahre nach Hause und nehme mein Essen mit.“
„Jetzt ziehen Sie sich doch einen Stuhl ran, und setzen Sie sich an den Sofatisch. Den Kram können Sie einfach auf den Boden legen.“
Er räumte die Zeitschriften, Bücher und Briefe auf eine Seite des Tisches und nahm sich einen Stuhl, in dessen Rückenlehne zwei Affen geschnitzt waren. Diese Frau hatte wirklich einen seltsamen Geschmack. Auf dem Boden lag ein großer Orientteppich in Orange und Schwarz, und die Bilder an den Wänden … ja, ihr Geschmack war tatsächlich einzigartig.
Als sie zu essen begannen, war es schon fast drei Uhr.
Das Schweigen empfand Jake seltsamerweise überhaupt nicht als unangenehm. Unauffällig beobachtete er Sasha beim Essen. Eine Hand war bandagiert, doch die andere wirkte durch die langen roten Fingernägel und die zahlreichen Ringe auch nicht sonderlich geeignet zum Essen.
Fast hätte er ihr angeboten, sie zu füttern, doch er wollte ihr lieber nicht noch näher kommen und dadurch seine Selbstbeherrschung auf die Probe stellen. Es würde ohnehin lange dauern, bis er vergessen konnte, wie die Frau sich in seinen Armen angefühlt hatte, als er sie aus dem Cottage und später ins Krankenhaus getragen hatte. Sie war zwar klein, wirkte aber keineswegs zerbrechlich. Ihr Körper war fest und an den Stellen weich, wo es Frauen sein sollten.
Dazu kam noch ihr exotischer Duft nach Orangenblüten und aufregenden Gewürzen. So ein Duft konnte unter den richtigen Voraussetzungen ein Feuer entfachen.
Ansehen, aber nicht anfassen, sagte sich Jake.
Also schaute er Sasha an. Immer wieder glitt sein Blick zu ihren wohlgeformten Beinen, die trotz des Verbands atemberaubend aussahen. Sashas Lippen glänzten von den Pommes frites und den Maisklößchen. Unter den langen schwarzen Wimpern schimmerten ihre Augen wie das Meer im August, kurz bevor die Stürme losbrachen.
Seltsam, dachte er. Hatte sie gestern nicht grünbraune Augen?
Mann, dieses Parfüm raubte ihm anscheinend den Verstand.
Jake räusperte sich. „Wenn Sie fertig sind, kann ich Ihnen das Tablett abnehmen. Soll ich Ihnen Ihr Handy bringen?“ Er stand auf und blickte sich nach ihrer Handtasche um.
„Wieso sollte ich das brauchen?“
„Wenn es klingelt, müssen Sie nicht aufstehen. Oder Sie können jemanden anrufen, damit Sie hier nicht allein sind.“
„Wenn es wichtig ist, ruft derjenige auch ein zweites Mal an, und ich bin nicht in Stimmung für Gesellschaft.“
„Ich meinte ja nur, weil …“ Er gab es auf. Diese Lady kannte sich im Einigeln besser aus als jedes Stacheltier.
Er trug die Essensreste in die Küche, füllte eine Karaffe mit Eiswürfeln und Eistee und brachte sie ins Wohnzimmer. Anschließend entfernte er die Packung mit Erbsen, die ohnehin zum Großteil bereits aufgetaut war. „Warten Sie, ich bringe diese Packung zurück und hole Ihnen eine neue. Halten Sie den Fuß immer hoch. Die Medikamente lege ich hierher, damit Sie rankommen.“
Sasha war froh, dass Jake sich abwandte. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn jemand sie in einer Situation sah, in der sie sich nicht wohlfühlte. Ich sehe bestimmt wie ein Teigkloß aus, dachte sie. Die lässige Frisur, die sie sich heute Morgen sorgfältig zurechtgezupft hatte, war bestimmt längst ruiniert, und von dem Lippenstift war spätestens nach dem Essen sicher nichts mehr übrig. An das Augen-Make-up wollte sie lieber gar nicht erst denken.
„Arbeiten Sie zufällig nebenher noch als Krankenpfleger?“, fuhr sie Jake an und schämte sich augenblicklich für diese Bemerkung. Eine Entschuldigung brachte sie allerdings nicht über die Lippen, und das machte ihr noch mehr zu schaffen.
Ohne ein Wort zu erwidern, legte Jake die Zeitschriften und Bücher wieder zurecht. Seine sonst sinnlich vollen Lippen waren zusammengepresst.
Ich bin widerlich, gestand sie sich ein. War das der Stolz, den ihr Vater immer so verteufelt hatte? Oft genug hatte er versucht, ihr diesen Stolz aus dem Leib zu prügeln.
Offenbar mit wenig Erfolg.
Mit ausdrucksloser Miene richtete Jake sich auf. „Wenn Sie sicher sind, dass Sie nichts mehr brauchen, dann
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