JULIA COLLECTION Band 20
lediglich weitere Vorwürfe gewesen, sie würde sich wie eine Schlampe das Gesicht anmalen. Nicht selten gab es dafür gleich die nächsten Schläge.
Jake hielt vor dem Krankenhaus am Strand an. „Warten Sie, ich hole einen Rollstuhl.“
„Unsinn, ich brauche doch keinen Rollstuhl!“
„Also schön, dann legen Sie mir den Arm über die Schultern.“
Falls Sasha noch irgendeinen vernünftigen Gedanken im Kopf gehabt hatte, so verschwand der spätestens in dem Moment, als Jake sie ins Krankenhaus trug. Dieser Mann wirkte auf sie tatsächlich wie Hochspannung. Im Grunde brauchte sie gar keinen Arzt mehr. Die Nähe von Jake Smith lenkte sie so sehr ab, dass sie kaum noch den pochenden Schmerz in ihrem Knöchel spürte, von dem Schmerz in der Hand ganz zu schweigen.
Keine zwei Stunden später fuhr ein Pfleger Sasha im Rollstuhl zum Wartezimmer. Jake legte die Zeitschrift beiseite. Er hatte sich ohnehin nicht darauf konzentrieren können. „Alles erledigt?“, fragte er. Das Bein war nicht eingegipst, sondern nur verbunden. Also war der Knöchel offenbar nur verstaucht und nicht gebrochen. „Und was ist mit der Hand?“ Sashas rechte Hand war bis auf zwei Finger und den Daumen ebenfalls völlig bandagiert.
„Ein paar Splitter, und ich habe drei Fingernägel verloren.“
Entsetzt sah er ihr in die Augen. „Das ist ja entsetzlich!“ Er schluckte und kämpfte gegen Übelkeit an.
„Ich fürchte, ein weiterer wackelt. Dabei habe ich sie mir erst letzte Woche ankleben lassen. Jetzt kann ich mir alle Nägel an der rechten Hand neu machen lassen!“ Über die Schulter hinweg bedankte sie sich mit einem Lächeln bei dem Pfleger. „Danke, den Rest schaffe ich auch allein.“
„Wir haben unsere Regeln, Madam.“ Der Pfleger hinderte Sasha daran, aus dem Rollstuhl aufzustehen.
Kopfschüttelnd hielt Jake die Glastüren auf. „Kommen Sie, seien Sie doch nicht so verdammt bockig!“
Zusammen halfen die beiden Männer ihr aus dem Rollstuhl ins Auto, und Jake steckte dem jungen Pfleger ein paar Geldscheine zu.
Während der ersten paar Meilen Fahrt herrschte Schweigen, das nur von einigen schweren Seufzern unterbrochen wurde. Als sie an der ersten roten Ampel hielten, wandte sich Jake an Sasha. „Wir holen jetzt erst einmal die verschriebenen Medikamente, und anschließend fahren wir zum Strand und schließen bei Ihrem Auto das Verdeck. Sicher kann es ein paar Tage dort stehen bleiben, bis Sie wieder fahren können.“
„Nein, Moment mal! Ich lasse mein Auto doch nicht unbeaufsichtigt dort stehen!“
„Fühlen Sie sich denn in der Lage zu fahren?“ Vielsagend blickte er auf ihren Knöchel, den sie wieder auf die gepolsterte Plastikbox gelegt hatte.
„Es hat Automatik.“
„Sasha. Mrs. Lasiter, sehen Sie das Ganze doch mal aus meiner Sicht. Wenn ich Sie in Kitty Hawk absetze, werde ich keine Sekunde lang Schlaf finden, ehe ich weiß, ob Sie heil nach Hause gekommen sind.“ Jake bog in die Sackgasse, an deren Ende die Cottages mit Meeresblick lagen, zu denen auch Driftwinds gehörte, das Cottage, vor dem Sashas Cabrio stand.
„Ich kann doch nicht von Ihnen verlangen, dass Sie mich nach Muddy Landing fahren.“
Jake spürte, dass Sashas Widerstand nachließ. Im Grunde konnte er sich selbst nicht erklären, wieso er sich all diese Umstände machte. Eigentlich sollte er am Jamison-Fall arbeiten, zumal das stundenlange Observieren bisher überhaupt nichts gebracht hatte.
„Mögen Sie Gegrilltes?“ Er stieg wieder in den Jeep, nachdem er Sashas Cabrio dicht vor dem Cottage abgestellt, das Verdeck geschlossen und den Wagen verschlossen hatte. Er gab ihr die Schlüssel und fuhr wieder los.
„Klar mag ich das. Wie die meisten Menschen.“
Ihr Lächeln wirkte gezwungen. Offenbar hatte sie trotz der Medikamente größere Schmerzen, als sie zugeben wollte. Seltsam, dachte Jake, ihrem Äußeren nach hätte ich sie für eine Frau gehalten, die schnell jammert.
Keine zehn Minuten später kehrte Jake mit zwei Grillplatten aus dem Imbiss zurück und verstaute die Tüten auf dem Rücksitz. Er legte eine CD ein, pfiff leise mit und klopfte mit dem Daumen im Takt auf das Lenkrad.
Die Arbeit hatte sich angehäuft, in seiner Wohnung und im Büro sah es chaotisch aus, und im Jamison-Fall kam er einfach nicht weiter. Im Grunde durfte er gar nicht hier sein und die Zeit mit dieser Frau vertrödeln. Andererseits führte er gern zu Ende, was er begonnen hatte. In seiner Branche gehörte es dazu, alles zu Ende zu
Weitere Kostenlose Bücher