JULIA COLLECTION Band 20
Antwort legte Daisy eine weitere Hühnerkeule in das heiße Öl und zuckte zurück, als es spritzte.
„Achtung!“, warnte er. „Ich kenne einen Mann, dem heißes Öl ins Auge gespritzt ist.“
„Oje, und ich arbeite hier ohne Schutzbrille!“
Es klang spöttisch, aber wenigstens wusste Kell jetzt, dass Daisy Humor besaß, wenn auch einen ziemlich sarkastischen. Mit der Hüfte lehnte er sich an die Anrichte und schlug die Beine übereinander. Gelassen sah er Daisy bei der Arbeit zu. „Blalock meinte, Sie seien hier über ein Jahr gewesen. Da müssen Sie und Onkel Harvey sich doch ziemlich gut kennengelernt haben. Hat er nicht zufällig etwas über seine Kindheit erzählt? Die meisten alten Leute reden doch ständig über die gute alte Zeit.“
Eigentlich wusste er überhaupt nicht, worüber alte Leute redeten. Mit seinen früheren Mannschaftskameraden hatte er sich über Autos, Golf und Frauen unterhalten. Und die Jungs, mit denen er arbeitete, gaben meistens nur damit an, was sie später einmal machen würden. Einige hatten vor, zu den Marines zu gehen, andere erzählten, sie würden einmal das größte Flugzeug der Welt bauen.
Wenn es hier in diesem alten Haus etwas von meinem Vater gibt, dann werde ich es finden, beschloss Kell. Von seinen Eltern besaß er nicht mal ein Foto. Alles war in dem Wohnwagen verbrannt. Er konnte sich kaum vorstellen, dass sein Dad in so einem Haus wie diesem hier gelebt hatte, aber ein paar Tage lang wollte er nach Spuren suchen.
„Ihr Onkel, also Mr. Snow, war körperlich nicht in der Lage, auf Bäume zu klettern. Er wurde mit rheumatoider Arthritis geboren. Sind Sie mit dem Salat fertig?“
Lange schwieg Kell. „Sie meinen, er war ein …“
„Er war ein wundervoller Mann, der nicht auf Bäume klettern konnte. Und nachdem ich Sie auf der Leiter erlebt habe, würde ich vermuten, dass Sie auch nicht sonderlich gut im Klettern sind. Was ist nun mit dem Salat?“
„Steht schon auf dem Tisch.“ Wenn er noch länger hierbleiben wollte, würde er die Themen in Zukunft sehr sorgfältig wählen müssen. Anscheinend waren ein paar Themen tabu. „Ich dachte gerade an die Geschichte meines Dads, wie er im Dismal Swamp einen Bären gejagt hat. Damals wusste ich noch gar nicht, wo dieser Dismal Swamp lag. Hat Onkel Harvey je etwas von einer Bärenjagd erzählt? Kein Mensch würde doch ganz allein einen Bären jagen gehen. Passen Sie auf“, warnte er Daisy, als sie hastig einen Schritt zurücktrat und sich den Arm rieb.
Als sie leise fluchte, stieß auch Kell einen Fluch aus und zog Daisy vom Herd zurück. „Verdammt, ich habe Sie doch gewarnt. Zeigen Sie mal, was passiert ist.“
„Gar nichts.“ Sie wand sich aus seinem Griff.
Kell hielt sie an den Schultern fest und blickte auf den Unterarm, den Daisy an sich presste. „Oh, oh, das wird sicher eine Brandblase geben.“ Fürsorglich führte er sie zum Wasserhahn und hielt ihren Unterarm unter kaltes Wasser. „Haben Sie irgendeine Salbe, die wir auftragen können?“
Ihr Blick verriet ihm deutlich, dass er hier nur geduldet wurde. Daran muss sie mich nicht erst erinnern, dachte Kell. Er sog die Luft ein, als Daisys Haar ihn am Kinn kitzelte. Seltsam, dass er bei einem Duft von Rosen und gebratenem Speck auf einmal an heiße Nächte und zerwühlte Laken denken musste.
„Wenden Sie bitte mal die Hähnchenteile? Ich bin gleich wieder zurück.“ Sie wand die Schultern aus seinem Griff, drückte ihm die Gabel in die Hand und ging zur Tür. Immer noch hielt sie sich den Unterarm mit der roten Brandwunde.
Kell blickte ihr hinterher. Wie anmutig sie sich bewegte! Und wie gut sich ihr Körper so nah an seinem angefühlt hatte! Allmählich freute er sich auf den nächsten Kontakt mit ihr. Aber wenn er nach so wenigen Stunden bereits so stark auf ihre Nähe reagierte, würde er vielleicht ein Problem bekommen, wenn er wieder nach Hause fuhr. Wenn ich klug wäre, überlegte er, dann würde ich verschwinden, solange ich das noch unbeschadet kann.
Kopfschüttelnd legte er die Gabel weg, die Daisy benutzt hatte, und durchsuchte die Schubladen, bis er eine langstielige Fleischgabel fand. Sollte Daisy als Krankenschwester nicht eigentlich so vernünftig sein, für jede Aufgabe das richtige Werkzeug zu benutzen?
Die Hühnchenteile waren von allen Seiten gleichmäßig braun, als Daisy zurückkehrte. Sie schob Kell beiseite und nahm die Fleischstücke aus der Pfanne. Auf einem Stück Backpapier ließ sie sie abtropfen.
Kell lehnte
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