JULIA COLLECTION Band 20
eine Problemschwangerschaft in Whitehall Estates. Oder eine Frau in der Nähe von Point Harbor, die sich von einem Selbstmordversuch erholt.“
„Übernimm die Schwangerschaft“, riet Marty.
„Ich habe gesagt, dass ich mich in ein paar Tagen melde.“ Daisy reckte sich gähnend. Es war gerade mal acht Uhr, doch sie war todmüde. Heute Morgen hatte sie bis neun Uhr geschlafen und den ganzen Tag über kaum etwas getan.
„Willst du jetzt meine großen Neuigkeiten hören, oder schaltest du wieder zwischendurch ab?“
Doch bevor Daisy antworten konnte, klingelte das Telefon.
Ohne den Blick von Daisy zu wenden, griff Marty nach dem Hörer. „Owens“, meldete sie sich. Dann breitete sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Hallo, Cowboy. Von wo aus rufen Sie an?“
Daisy wollte nicht gleich mit Sack und Pack wieder ausziehen, doch sie nahm Sachen zum Übernachten mit. Das wertete Kell als gutes Zeichen. Er hatte vom Flughafen aus angerufen. Er hatte alle Owens angerufen, die ein M als ersten oder zweiten Vornamen angegeben hatten. Als er dann endlich sein Auto vom Langzeitparkplatz abgeholt hatte, nach Muddy Landing gefahren und Martys Wegbeschreibung gefolgt war, waren fast zwei Stunden vergangen.
Mit einladendem Lächeln hatte Marty ihn ins Haus gebeten und ihm ihr Sofa, ein Kopfkissen und eine Decke angeboten. „Es ist schon fast elf Uhr. Heute sollten Sie nicht noch weiterfahren.“
Lächelnd hatte Kell den Kopf geschüttelt. „Danke, aber ich habe in Southern Shores ein Cottage angemietet.“
„Ein ganzes Cottage?“
„Tja, viel Auswahl hatte ich nicht. Anscheinend gibt es hier in der Gegend nicht sonderlich viele verfügbare Immobilien.“
Daisy hatte ihn zwar bei seinen Erklärungen ausreden lassen, doch dabei hatte sie die Arme vor der Brust verschränkt und schweigend von einem zum anderen geschaut. Kell hoffte, dass er nicht für die dunklen Ringe unter ihren Augen verantwortlich war.
Schließlich hatte er es geschafft, Daisy ihre Reisetasche abzunehmen und mit ihr zum Auto zu gehen. Ohne ein Wort hatte er das Gepäck verstaut und war mit ihr losgefahren. Im Grunde wusste er gar nicht, wo er mit seinen Erklärungen anfangen sollte. Er wusste nur, dass er nicht wegen irgendwelcher Verwandter zurückgekehrt war, mochten sie tot sein oder noch leben. Und das sollte Daisy eigentlich auch bewusst sein.
„Dann hast du das Haus also übergeben“, brachte er schließlich heraus, als sie in Richtung Süden fuhren.
„Soweit ich weiß, hat die Historische Gesellschaft gestern jemand dort hingeschickt. Und weißt du was? Ein Unbekannter hat genügend Geld gespendet, dass fast alle notwendigen Reparaturen durchgeführt werden können. Ist das nicht wunderbar?“
„Was wollen sie denn tun? Den Garten herrichten? Eine neue Regenrinne anbringen?“
„Viel mehr. Egbert sagt, sie suchen bereits nach einem Dachdecker, der sich mit Schieferdächern auskennt.“ Solange sie über das Haus sprachen, fühlte Daisy sich auf sicherem Terrain. Vom Kopf her wollte sie nicht hier bei ihm im Wagen sitzen, aber ihr Herz hatte bereits entschieden.
Wenn Kell wieder mit ihr schlafen wollte, würde sie wahrscheinlich nachgeben, weil sie ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte.
Ihr Herz hatte sie sowieso schon an ihn verloren.
„Ich habe nachgedacht.“ Kell jagte über den nächtlichen Highway. „Dieses Haus braucht viel mehr als eine oberflächliche Reparatur. Über welche Mittel verfügt diese Gesellschaft denn?“
„Laut Egbert haben sie nicht viel. Ich habe gehört, dass die Mitglieder sich ständig darüber streiten, welche Gebäude erhaltenswert sind und welche nicht. Ein Schulgebäude und ein paar Kirchen sind noch älter als Harveys Haus, aber die sind wahrscheinlich zu verfallen, um noch restauriert werden zu können. Außerdem hat der Unbekannte seine Spende an die Bedingung geknüpft, dass sie zum Erhalt von Harveys Haus eingesetzt wird.“Vielsagend warf sie ihm einen Seitenblick zu.
Ohne darauf zu achten, hielt Kell an einem Stoppschild an. „Hast du Hunger?“
Daisy seufzte. „Ehrlich gesagt, ja. Ich habe heute Abend nichts gegessen.“
„Ich auch nicht. Vor meinem Abflug habe ich mir eine Portion Chili gekauft. Bitte erinnere mich bei Gelegenheit daran, so schnell kein Chili mehr zu essen.“
„Wieso hast du denn ein ganzes Cottage angemietet? Erwartest du noch Gesellschaft?“
Als er lächelte, blitzten seine Zähne im Licht der Armaturenanzeigen. „Ich musste einen
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