Julia Collection Band 22
du hier Mist schaufeln und dir die Hände aufreißen kannst, wenn du Stacheldrahtzäune erneuerst?“
Nick schmunzelte. „Wenn du es so sagst, dann klingt es wirklich nicht sonderlich klug, was?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich wette, deine Mutter ist sehr stolz auf dich, weil du das College geschafft hast, aber böse, weil du jetzt nichts mehr mit deiner Ausbildung anfängst. Sie wollte doch immer, dass du aufs College gehst.“ Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ihn noch gar nicht nach seiner Mutter gefragt hatte. „Übrigens, wie geht es ihr denn?“
Nicks Lächeln verschwand. Auf einer kleinen Anhöhe zügelte er sein Pferd und blickte hinab auf die Herde schwarzer Rinder, die in dem engen Tal weiter unten graste. „Meine Mutter starb ungefähr ein Jahr, nachdem wir nach St. Louis gezogen waren. Sie hat nicht mehr erlebt, dass ich meinen Abschluss gemacht habe.“
„Oh, Nick, es tut mir so leid. Ich wusste nichts davon.“ Sie hatte Linda Daniels immer gemocht und war erschüttert über ihren Tod. „Ist sie krank gewesen?“
Cheyenne konnte nachempfinden, wie schwer es für Nick gewesen sein musste, seine Mutter zu verlieren. Ihre eigene Mutter war gestorben, als sie, Cheyenne, noch sehr jung gewesen war, und wenn ihr Vater sie nicht so bedingungslos geliebt hätte, dann, so fürchtete sie, hätte sie das nicht überstanden. Aber Nick hatte niemanden mehr gehabt. Seine Mutter hatte nie geheiratet. Sie beide waren immer allein gewesen.
„Meine Mutter wusste, dass sie nicht mehr lange leben würde, als wir von hier weggingen“, sagte Nick leise.
„Seid ihr deshalb nach St. Louis gezogen? Ich meine mich zu erinnern, dass deine Mutter erwähnte, sie habe dort eine Cousine.“
Nick schaute Cheyenne an. Die Ernsthaftigkeit in dem Blick aus ihren blaugrünen Augen überzeugte ihn davon, dass sie nicht die leiseste Ahnung davon hatte, weshalb er sich mitten in der Nacht wie ein Dieb davongestohlen hatte. Und das brachte ihn zu der Überlegung, was ihr Vater, der gute Richter, ihr wohl über sein Verschwinden in jener Nacht, als er und Cheyenne heiraten wollten, erzählt hatte.
„Stimmt, zu ihr sind wir gezogen“, sagte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Rindern im Tal zu. „Aber die Krankheit meiner Mutter war nicht der Grund, weshalb wir von hier weggegangen sind.“
An ihrem eindringlichen Blick erkannte er, dass seine Antwort sie verwirrte, doch sie verfolgte das Thema nicht weiter. Stattdessen lenkte sie ihr Pferd auf den Weg, der hinunter ins Tal zur Weide führte. Ihr Wallach scheute jedoch und hielt dann einen der Vorderhufe hoch, als wäre er verletzt.
„Ich fürchte, wir haben ein Problem“, meinte Nick, nachdem sie beide abgestiegen waren, um das linke Vorderbein des Pferdes zu untersuchen. Nick beugte sich hinunter und schaute sich den Huf des Tieres genauer an. „Der Huf sieht geschwollen aus.“
„Vermutlich ist er auf einen Stein getreten.“
Nick richtete sich wieder auf und nickte. „Das denke ich auch. Sieht so aus, als müssten wir umkehren. Wir können zusammen auf meiner Stute zurückreiten.“
Cheyenne schüttelte den Kopf und tätschelte dem Wallach den Hals. „Es sind nur ein paar Meilen. Reite du vor. Ich gehe mit ihm zurück.“
„Kommt nicht in Frage, Darling.“ Er nahm ihr die Zügel ab. „Ich werde auf keinen Fall zurück zum Haus reiten und dich hier mit einem lahmen Pferd allein lassen.“
„Ohne mich bist du viel schneller.“ Sie trat einen Schritt zurück. „Du hast selbst gesagt, dass du heute Abend eine Verabredung hast, und ich möchte ganz bestimmt nicht der Grund dafür sein, dass du zu spät kommst.“
Nick starrte sie einige Sekunden lang an. Hatte er da einen leichten Anflug von Sarkasmus in ihrer Stimme vernommen? Er wusste, er sollte nicht darauf herumreiten, aber irgendwie wollte er es auch wissen. „Macht es dir etwas aus, dass ich mich vielleicht mit jemand anderem treffe, Cheyenne?“
„Überhaupt nicht.“ Ihr Lachen klang hohl. „Ich weiß nicht, wie du überhaupt auf solch eine Idee kommst. Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört, mich für deine Angelegenheiten zu interessieren.“
Er wusste, sie log, und aus Gründen, die er selbst nicht verstand, wollte er, dass sie die Wahrheit zugab. „Du hast noch nie sonderlich gut lügen können, Darling.“
„Ich lüge nicht.“
„Tust du doch.“ Er trat zu ihr, legte einen Arm um ihre Taille und zog Cheyenne an sich. Mit gesenkter Stimme flüsterte er: „Du willst
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