Julia Collection Band 23
üppigen Palmen in Keramiktöpfen. Unwillkürlich dachte Molly an Hughs Veranda und die stumpfe Küchenschere. „Sie meinen es sicher gut …“, begann sie, „… und ich bin Ihnen auch dankbar, trotzdem finde ich …“ Sie verstummte, als eine elegante dunkelhäutige Frau auf sie zukam. Das schwarze Haar war zu dünnen, eng am Kopf anliegenden Zöpfen geflochten, deren Enden mit den bunt aneinandergereihten Perlen bei jedem Schritt graziös hin und her schwangen.
„Guten Morgen. Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte sie mit dem sanften, leicht singenden Akzent der Inseln.
„Die Dame braucht einen Haarschnitt“, erwiderte Joaquin. „Einen Stil, der ihren Typ zur Geltung bringt.“
„Ich verstehe.“ Aufmerksam begutachtete die Frau die kupferrote Lockenpracht von allen Seiten. Molly kam sich wie eine Kuh auf dem Jahrmarkt vor. Sie warf Joaquin einen bitterbösen Blick zu.
Endlich war die Hairstylistin mit ihrer Musterung fertig. Sie hob Mollys Kinn mit einer sorgfältig manikürten Hand leicht an, dann nickte sie zufrieden und nahm sie am Arm.
„Ich bin Melisande“, sagte sie. „Sie sind eine sehr schöne Frau, und es wird mir ein Vergnügen sein, das noch mehr zu betonen.“
„Das bezweifle ich“, erwiderte Molly aufrichtig.
Melisande zog die Brauen hoch. „Sie glauben mir nicht? Kommen Sie, ich werde es Ihnen beweisen.“
Bevor Molly wusste, wie ihr geschah, lag sie, ein blendend weißes Handtuch um die Schultern, mit den Haaren über einem Waschbecken, spürte angenehm warmes Wasser über den Kopf laufen und roch duftendes Shampoo. Melisande massierte ihr sanft, aber nachhaltig die Kopfhaut, und unwillkürlich schloss Molly die Augen. Es fühlte sich himmlisch an.
Nach dem Shampoo wickelte ihr die Hairstylistin ein Handtuch um das Haar und richtete den Sessel auf. Im Spiegel sah Molly Joaquins hochgewachsene Gestalt; er hatte sie die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen.
Sie streckte ihm die Zunge heraus.
Seit Langem hatte Joaquin nicht mehr so viel Spaß gehabt.
Verführen war ein bisschen wie Fußballspielen: Vorausgesetzt, man hatte es mit einem würdigen Widersacher zu tun, denn man konnte nie wissen, wie es ausging.
In den letzten Wochen waren seine allabendlichen Eroberungen allerdings so routinemäßig verlaufen, dass er sie langsam langweilig fand. Und das wiederum erinnerte ihn an ein Match mit Amateuren: Flirten mit allzu willigen Damen war zwar ein angenehmer Zeitvertreib, aber das Resultat stand von Anfang an fest. Unvorhergesehenes passierte nie.
Was man bei Molly McGillivray nicht behaupten konnte.
Sie war eigensinnig und direkt und in einem gewissen Sinn unschuldig wie ein kleines Kind. Sie hatte keine Ahnung von ihrer Wirkung auf einen Mann. Nach dem gestrigen Abend war Joaquin zu der Überzeugung gelangt, dass sie keinen Nachhilfeunterricht nötig hatte. Sie war ein Naturtalent.
Und sie verstand zuzuhören, auch das hatte sie bewiesen: Ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, hatte er seine Seele vor ihr bloßgelegt und sich danach wie ein Narr gefühlt. Sie wusste weit mehr über ihn als er über sie, und dabei kannte er sie seit Jahren.
Kein Zweifel, sie war eine große Überraschung. Nicht einmal, wie umwerfend schön sie unter dieser Mechanikerkluft war, hatte er bemerkt, bis er sie gestern in dem Handtuch die Treppe hatte herunterkommen sehen.
Ihr Anblick hatte ihm den Atem verschlagen, und auf dem Weg zurück ins Hotel ging ihm der Gedanke nicht aus dem Kopf, wie es sein musste, sie in den Armen zu halten und zu lieben.
Aber das war etwas, was er nicht herausfinden würde, denn Molly war verlobt.
Joaquin schob die Hände in die Hosentaschen. Wo hatte ihr Verlobter bloß seine Augen? Wäre er an Carson Sawyers Platz, dann würde er nicht darauf warten, dass man ihn verführte, nicht bei einer Frau wie ihr! Er würde …
„Fertig“, sagte Melisande und trat einen Schritt zur Seite.
Er hob den Kopf – und sein Herz setzte fast aus. Aus dem Spiegel sah ihm die schönste Frau entgegen, der er jemals begegnet war.
Die wirren Locken waren verschwunden. Stattdessen schmiegte sich das Haar wie ein glänzender tizianroter Helm um Mollys schmalen Kopf und brachte den schlanken Hals voll zur Geltung. Es war ein strenger, fast männlicher Schnitt, dennoch hätte nichts das Feminine ihres pikanten Gesichts besser hervorheben können – die perfekt geformten Wangenknochen, die unglaublichen Augen, den vollen sinnlichen Mund … Melisande hatte mit ihrer
Weitere Kostenlose Bücher