Julia Collection Band 26
sah ihre vollen Lippen, die hellblauen Augen, die vor Liebe zu ihm leuchteten. Zu ihm. Er sah ihren schlanken Körper mit den schmalen Gliedern, ihre wohlgeformten Brüste.
Sein Mädchen. Sein Blick fiel auf seine Hände. Mit diesen Händen hatte er sie berührt. Unwürdige Hände. Und er hatte noch mehr getan.
Seit vier Jahren warb er jetzt schon um sie. Sie war sein Ideal einer perfekten Frau. Er vergötterte sie.
Auf seiner letzten Reise in die Stadt, kurz bevor sein Vater gestorben war, hatte er ihr einen Verlobungsring gekauft. Eigentlich hatte er vorgehabt, sehr bald um ihre Hand anzuhalten, sobald sich der Kummer seiner Familie ein wenig gelegt hatte.
Aber jetzt … Der Vater, den er geliebt und beerdigt hatte, um den er getrauert hatte, war nicht sein Vater. Er war nie sein Vater gewesen.
Sein Vater war ein Vergewaltiger.
Reid trug schlechte Gene in sich.
Wie, um alles in der Welt, konnte er jetzt Sarah heiraten?
Nein! Das musste ein Albtraum sein. „Sag mir, dass es nicht wahr ist“, rief er aus und schlug mit der Hand erneut gegen den Pfosten.
„Oh, Reid, wie gern würde ich das tun!“
Er war blind vor Tränen. Zornig wischte er sie mit dem Arm fort.
„Kann ich dir irgendetwas holen? Möchtest du einen Drink?“
„Nein, ich will keinen Drink.“
„Nicht so laut, Liebling, du weckst sonst noch die anderen.“
„Ich will Tatsachen hören“, stieß er wütend hervor. „Ich will die Wahrheit wissen. Wo ist das passiert? Wer war dieser Schuft, und wo ist er jetzt?“
Jessie tupfte sich die Tränen mit einem Taschentuch ab. „Ich fürchte, ich kann dir nicht viel sagen. Flora wollte nie darüber sprechen. Es schien so, als hätte sie alles verdrängt. Aber wir sind immer davon ausgegangen, dass der … nun … Schuldige ein Wanderarbeiter war, der damals in der Stadt herumhing.“
Sie machte eine Pause und seufzte. „Er war ein ziemlich schlimmer Typ. Zwei Mal hat er versucht, in unser Häuschen einzubrechen. Schließlich hat ihn der Sheriff der Stadt verwiesen. Später wurde er verurteilt, weil er eine Frau in Quilpie vergewaltigt hatte.“
Eine Welle der Übelkeit erfasste Reid. Er wischte sich die Lippen mit dem Handrücken ab. „Sitzt er immer noch im Gefängnis?“
„Soviel ich weiß, ist er vor ein paar Jahren im Gefängnis gestorben.“
Reid atmete langsam aus.
Eine ganze Weile herrschte bedrücktes Schweigen, während beide in die Dunkelheit starrten. Dann meinte Jessie: „Reid, ich finde, wir sollten Kane oder Annie nichts davon sagen.“
„Natürlich nicht.“
„Flora wollte nicht, dass es irgendjemand erfuhr.“
„Glaub mir, ich habe nicht vor, die guten Nachrichten zu verbreiten.“
„Das heißt, ich kann mich darauf verlassen, dass du es für dich behältst?“
„Verdammt, natürlich.“ Er seufzte unglücklich. Mehr denn je zuvor vermisste er Cob McKinnon. Er wusste instinktiv, dass er mit dieser Neuigkeit besser hätte umgehen können, wenn er sie von ihm erfahren hätte.
Als hätte sie seine Gedanken erraten, sagte Jessie in diesem Moment: „Liebling, Cob hat dich geliebt. Er hat dich geliebt wie …“
„Nein, sag es nicht!“ Die Tränen kamen wieder, Reids Stimme brach, als er sie anschrie. „Wag es ja nicht, mir zu sagen, Cob McKinnon hätte mich wie einen Sohn geliebt. Verdammt noch mal, ich war sein Sohn!“
Die Tränen liefen ihm über die Wangen, als er über die Veranda stolperte, weg von ihr, überwältigt von seinem Kummer und dem grauenhaften Entsetzen über das, was er gerade erfahren hatte.
In den darauf folgenden Wochen sehnte er sich danach, mit Sarah darüber zu sprechen. Es wäre sicher hilfreich gewesen, dieses Grauen mit jemandem teilen zu können, besonders mit der Frau, die er liebte. Aber er hatte Jessie versprochen, niemandem etwas davon zu erzählen. Außerdem wusste er schon jetzt, wie Sarah reagiert hätte.
Sie hätte darauf beharrt, dass seine Herkunft keinen Unterschied mache, dass sie ihn trotzdem liebe. Aber er konnte sie jetzt nicht mehr bitten, ihn zu heiraten.
Nicht jetzt, da er wusste, dass er die Saat des Bösen in sich trug. Er würde sich niemals gestatten, ein Kind zu zeugen. Und er konnte keine hübsche, gesunde, fruchtbare junge Frau bitten, auf ihr Recht auf Mutterschaft zu verzichten. Sarah liebte nämlich Kinder.
Sie war eine wunderbare Lehrerin, und sie würde auch eine fantastische Mutter werden. Wenn er sie um ein solches Opfer bat, würde sie es anfangs bestimmt gern bringen, weil sie so sehr in
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