Julia Collection Band 26
weit zu ihrem Häuschen. Reid hing seinen Gedanken nach, während Sarah die Tür öffnete. Er folgte ihr in die Küche, wo sie Wasser aufsetzte, den Tee zubereitete und zwei Tassen aus dem Schrank holte. Reids Schweigen war ihr nur recht, sie wusste nämlich nicht, wie sie dieses Gespräch in den Griff bekommen sollte.
Als der Tee fertig war, gingen sie mit den Tassen hinaus auf die kleine Veranda hinter dem Haus. Von hier aus konnte man den grasbewachsenen Schulhof überblicken. Als sie sich in den Rattansesseln niederließen, blickte Reid erneut in die Ferne.
Dann sagte er, ohne sie dabei anzuschauen: „Du hast einen Brief an die Kummerkastentante geschrieben.“
„Ja.“ Es machte wenig Sinn, diese Tatsache abzustreiten. Aber Sarah hatte nicht die Absicht, ihm zu verraten, dass sie auch die Antwort auf den Brief geschrieben hatte.
„Und was hat sie dir geraten? Die Stadt zu verlassen?“
„Hast du die Antwort nicht gelesen?“ Sarah sah ins Haus und erblickte die zusammengefaltete Zeitung, die er auf den Küchentisch gelegt hatte.
„Nein, noch nicht. Ich hatte es vor, aber dann bist du erschienen.“ Sein Blick war auf die Akazien am Ende des Schulhofs gerichtet. „Also, was hat die Kummerkastentante dir geraten, Sarah?“
Sie holte tief Atem. „Was du vermutet hast. Sie hat gesagt, ich solle wegziehen.“ Plötzlich wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt und schluckte. „Ich glaube, ihre genauen Worte waren … wenn sich die Situation, die ich ihr beschrieben habe, schon so lange hinzieht, sollte ich mir und dem Mann, um den es geht, einen Gefallen tun. Ich sollte von der Bildfläche verschwinden.“
Hatte er genickt? Sie war sich nicht ganz sicher. Aber wenigstens hörte er ihr zu. „Sie meinte auch, wenn dieser Mann mich wirklich lieben würde, würde meine Abwesenheit ihn vielleicht dazu bringen, etwas zu unternehmen.“
Entsetzt registrierte sie, wie Reid zusammenzuckte und die Augen schloss. Dann stand er abrupt auf und trat ans Geländer.
Sarah presste die Lippen zusammen und atmete noch einmal tief durch. „Keine Angst“, sagte sie. „Ich weiß, dass das nicht passieren wird.“
Er stand still wie ein Denkmal, hatte ihr den Rücken zugewandt und sah hinaus in die Ferne. „Sonst noch etwas?“, fragte er so schwach, dass sie ihn kaum hören konnte.
Sie bekam es mit der Angst. Ihr war, als würde sie auf Zehenspitzen durch vermintes Gebiet gehen. Reid und sie machten keinerlei Fortschritte. Noch immer vermieden sie es, bei diesem schmerzlichen Gespräch, das sie schon vor Jahren hätten beenden müssen, aufs Ganze zu gehen. Reid war so weit weg und unerreichbar wie immer, und Sarah war nicht sicher, ob sie mutig genug war, mit dieser schrecklichen Farce weiterzumachen.
Aber das war der einzige Weg. Auch wenn es ihr furchtbaren Kummer bereitete, konnte sie jetzt nicht mehr zurück. Sie trank einen Schluck Tee, setzte die Tasse ab, stand auf und ging ebenfalls zum Geländer.
Im Himmel hoch über dem Schulhof jagten krächzende Elstern gerade einen Adler. Sie versuchten, ihn von seinem Nest zu vertreiben. Ihre schrillen Schreie zerstörten die friedliche Stille des Nachmittags.
Während sie die Vögel beobachtete, sagte Sarah: „Die Kummerkastentante hat etwas sehr Wichtiges festgestellt. Sie meinte, es sei möglich, dass der Mann genau weiß, wie ich mich fühle, aber zu nett ist, um mir geradeheraus zu sagen, dass er kein Interesse an mir hat.“
Als er darauf nicht antwortete, hätte sie ihn am liebsten geschüttelt. „Sie hat auch die Möglichkeit erwähnt, er könnte vielleicht schwul sein.“
„Schwul?“ Er sah sie ungläubig an.
„Na ja, ich habe dem weiter keine Beachtung geschenkt.“
Reid schnitt ein Gesicht. „Wenigstens hat dir diese Dame eine genaue Analyse geliefert, wie es ihre Art ist.“
Sie nickte. „Am Ende hat sie noch ganz vorsichtig nachgefragt, ob dieser Mann mein erster Liebhaber sei, weil … weil …“ Sie brach ab und biss sich auf die Lippe. „Weil es immer am schwersten ist, über den ersten Liebhaber hinwegzukommen.“
Als sie sein leichtes Stöhnen hörte, hätte sie nicht zu sagen vermocht, ob er ungeduldig oder verzweifelt war. Aber sie fuhr einfach fort: „Sie meinte, es sei an der Zeit, weiterzuziehen und ein neues Leben zu beginnen. Sobald ich hier weg sei, würde ich neue Freundschaften schließen und andere Männer kennenlernen. Sie sei sehr zuversichtlich, dass ich meinen Kummer in kurzer Zeit überwunden haben
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