Julia Collection Band 26
drängte Kane.
Charity geriet in Panik, hörte gar nicht mehr, was er noch sagte, riss sich los und lief weg, nur weg, so weit wie möglich weg von der Schlange! Eine Schlange! Charity hatte noch nie eine in freier Natur gesehen.
Kane holte sie ein. „Keine Panik. Sie verfolgt Sie nicht. Es passiert Ihnen nichts.“
Sobald sie stehen blieb, legte er ihr die Hände auf die bebenden Schultern. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie zurückblickte. Die Schlange hielt den Kopf noch immer hoch erhoben und hatte ihn wie eine Kobra aufgebläht.
Aus sicherer Entfernung betrachtete sie das Reptil mit einer Mischung aus Bewunderung und Entsetzen. „Was ist das für eine Art?“, flüsterte sie.
„Eine rotbäuchige Kletternatter.“
Charity sah der Schlange fasziniert nach und bewunderte die Anmut, mit der sie über die Steine in einen flachen Teich glitt. „Ist sie gefährlich?“, flüsterte sie.
„Das ist nicht die gefährlichste Schlange in Australien“, erwiderte Kane, „aber sie gehört zu den ersten zehn der ganzen Welt.“
Charity schnappte nach Luft. „Den zehn tödlichsten?“
„Ja.“
„Um Himmels willen“, flüsterte sie und presste die Hand auf den Magen.
„Alles in Ordnung?“, fragte er und strich ihr über die Wange.
„Natürlich“, beteuerte sie, atmete tief durch, als er die Hand zurückzog, und brachte sogar ein schwaches Lächeln zustande. „Zum Glück waren Sie bei mir. Allein wäre ich vor Angst gestorben. Dabei dachte ich schon, wie schön es wäre, sich am Fluss zu entspannen. Aber das ist völlig ausgeschlossen.“
„Wenn Sie einen der Hunde bei sich haben, können Sie sich ganz sicher fühlen.“
„Oh nein, ich nicht“, wehrte sie heftig ab. „Wie halten Sie es hier bloß aus, Kane? Es ist einsam, heiß und gefährlich.“ Im Moment fand sie am Outback absolut nichts gut und verstand auch nicht, warum ihr Bruder ausgerechnet hierher gekommen war.
Um Kanes Mund legte sich ein harter Zug. „Das kann ich Ihnen nicht erklären, und Sie werden es wahrscheinlich auch nie verstehen.“ Er ließ den Blick kühl über sie gleiten. „Mein Bruder hat Sie mit einer exotischen Blume verglichen. Sie gehören nicht zu uns, und darum ist es auch gut, dass Sie nicht lange bleiben.“
„Ja“, bestätigte sie, doch auf dem Rückweg zum Haus war sie über seine versteinerte Miene alles andere als glücklich. Und sie war unerklärlich traurig und sehr verwirrt.
Kurz vor Sonnenuntergang kam Kane aus der Werkstatt zurück, in der er Reid geholfen hatte. Er betrat das Haus durch einen Seiteneingang und duschte in dem Badezimmer, das am weitesten von der Küche entfernt war.
Er fragte sich erst gar nicht, warum er Charity auswich oder weshalb er eine graue Stoffhose und ein frisch gebügeltes Hemd statt Jeans und T-Shirt anzog. Als er jedoch in die Küche kam, stellte er erleichtert fest, dass Reid sich die gleiche Mühe gemacht hatte wie er.
Reid holte zwei Bier aus dem Kühlschrank, reichte Kane eines und deutete zum Herd. „Das riecht gut.“
Kane nickte. In der Küche duftete es nach Gewürzen, Zwiebeln und anderem, das er nicht benennen konnte.
„Wo ist Charity?“, fragte er und öffnete seine Flasche.
„Keine Ahnung.“
„Ich bin hier drüben im Esszimmer!“, rief sie. „Kommen Sie! Alles ist fast fertig!“
Die Brüder sahen einander überrascht an. Kane folgte Reid, doch schon nach zwei Schritten blieb Reid so unvermittelt stehen, dass Kane beinahe gegen ihn geprallt wäre.
Das Esszimmer sah aus, als sollte gleich gefeiert werden. Auf dem Tisch lag ein weißes Tuch aus irischem Leinen. Charity hatte mit dem alten Silberbesteck und dem Porzellan mit Goldrand gedeckt. Servietten mit Spitzenrändern lagen an jedem Platz, und die Kristallvase in der Mitte des Tisches war mit Blumen gefüllt.
„Sie haben uns nicht gesagt, dass Sie den Premierminister zum Essen eingeladen haben“, bemerkte Kane.
Erst jetzt fielen ihr die verblüfften Gesichter der beiden auf. „Essen Sie für gewöhnlich nicht so? Ich wusste es nicht.“
„Normalerweise essen wir in der Küche“, erklärte Reid. „Es sei denn, wir feiern etwas oder haben Gäste.“
„Ach, das ist aber schade“, meinte sie bedauernd. „Sie haben so schönes Geschirr, und es hat mir Freude gemacht, zu decken.“
„Schon gut“, erwiderte Reid und lächelte herzlich. „Es ist doch was Feines, zur Abwechslung mal hier drinnen zu essen, nicht wahr, Kane?“
„Ganz was Feines“, bestätigte Kane und
Weitere Kostenlose Bücher