Julia Collection Band 26
Lauf der Jahre angesammelt hatten.
Die Terrassentüren des großen Raums führten auf eine Veranda. Auf einem Schreibtisch in der Ecke stand ein Computer neben Papieren, Stiften, Büchern und Kaffeetassen. An der Wand darüber waren an einer Pinnwand Fotos von Angehörigen, Freunden und Tieren befestigt. Für die Film- und Rockstars auf den verblassenden Bildern hatte Annie vermutlich früher geschwärmt. Daneben hingen auch beschriebene Notizzettel und Zeitungsausschnitte.
Warum war Kanes Schwester weggefahren? Charity hatte den Eindruck gewonnen, dass Annie ohne Vorankündigung abgereist war. Das schien die Brüder allerdings nicht weiter zu stören, abgesehen davon, dass sie dadurch keine Haushälterin mehr hatten.
„Mal sehen, was wir finden“, sagte Kane und öffnete eine Schranktür.
Charity stieß einen überraschten Ruf aus, weil sie nicht mit so hübschen Sachen für den späten Nachmittag und den Abend gerechnet hatte. „Wann zieht Annie das denn an?“, fragte sie und strich über ein rosa Seidenkleid.
„Wir haben auch hier draußen im Busch ein gesellschaftliches Leben – Partys und Bälle. Aber im Moment brauchen Sie solche Kleider nicht.“ Kane öffnete eine andere Tür und fand eine ganze Reihe langärmeliger Bauwollhemden. „Das ist es schon eher. Nehmen Sie sich was davon, weil Ihre Arme bedeckt sein müssen.“ Vom obersten Regalbrett holte er einen breitkrempigen Hut und drückte ihn Charity auf den Kopf. „Na, passt er?“, fragte er und zog an der Krempe. „Müsste hinkommen.“
„Ja, der ist gut, danke.“
Er zeigte ihr etliche Regale. „Hier finden Sie Jeans, falls Sie welche brauchen. Bedienen Sie sich.“ Danach bückte er sich und holte aus dem unteren Teil des Schranks Stiefel.
„Die brauche ich nicht“, wehrte Charity ab. „Ich habe welche, und die sind sogar sehr gut. Damit bin ich auf den Mount Snowdon gestiegen.“
„Dann sind sie wahrscheinlich für kaltes Wetter geeignet.“
„Ja, allerdings.“
„Die hier sind besser. Reitstiefel aus Känguruleder.“
„Aber ich werde nicht reiten.“
„Das spielt keine Rolle. Känguruleder ist sehr leicht und atmet. Dadurch bleiben Ihre Füße kühl. Ziehen Sie sie an.“ Er holte noch Baumwollsocken aus einer Schublade und reichte sie ihr.
Kane sah ihr schon zum zweiten Mal zu, wie sie Schuhe anzog, und Charity wurde verlegen. Das war natürlich völlig albern. Schließlich schlüpfte sie doch nur in Frauenstiefel und machte keinen Striptease.
Es lag jedoch an dem seltsamen Ausdruck in Kanes Augen. Fast schien es, als würde es ihm schwerfallen, ihr zuzusehen. Trotzdem wandte er den Blick nicht ab.
„Die passen sehr gut“, erklärte Charity und wurde rot.
„Dann haben Sie Glück.“ Seine Stimme klang gepresst. „So, da Sie alles haben, was Sie brauchen, können wir jetzt eine rasche Führung machen, damit Sie sich auskennen.“
Offenbar hatte er es eilig. Jedenfalls zeigte er ihr schnell hintereinander das Kühlhaus, das vom Wohnhaus abgetrennt war und das man auf einem überdachten Weg erreichte, die Waschküche, die Werkstatt, den Zeugraum und die Koppel.
„Möchten Sie auch den Fluss sehen?“, fragte er schließlich.
„Ja, gern.“ Vielleicht konnte sie am Wasser im Schatten spazieren gehen, falls sie Ruhe suchte.
Der Fluss war sehr schön und gefiel ihr auf den ersten Blick. Unter den Bäumen war die Luft angenehm kühl, und das Wasser floss gluckernd über die glatten Steine. Glatt geschliffene Felsblöcke bildeten natürliche Trittsteine. Farne und schilfähnliche Gräser wuchsen an den Ufern. Libellen und andere Insekten schwebten über der Wasseroberfläche.
„Sehr hübsch ist das“, stellte sie fest und trat auf einen flachen Felsen. Es war gut, zu wissen, dass es hier eine ruhige und kühle Zufluchtsstätte gab, an der sie nur das Zwitschern der Vögel und das Plätschern des Wassers erwarteten.
„Halt!“, befahl Kane kaum hörbar, aber scharf, und packte sie am Arm.
Sie zuckte zusammen, als wäre sie noch nie von einem Mann berührt worden. „Warum denn?“, fragte sie betroffen und versuchte, sich von ihm loszureißen. „Was machen Sie da?“
„Kommen Sie zurück“, verlangte er energisch.
„Warum?“
„Weil da eine Schlange ist. Sehen Sie doch!“
Eine Schlange! Aus dem Augenwinkel sah Charity eine große schwarze Schlange, die sich auf dem Felsen in der Sonne zusammengerollt hatte und sich jetzt bewegte. Ihr Kopf schwang bedrohlich hin und her.
„Kommen Sie zu mir“,
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