Julia Collection Band 26
auf einer Viehzuchtfarm in North Queensland, müssen Sie wissen. Jedenfalls bin ich ein Jahr zu Hause geblieben, und danach sind alle davon ausgegangen, dass ich unbegrenzt lange bleiben würde.“
„Doch das wollten Sie nicht?“
„Am Anfang hat es mir nichts ausgemacht, aber in den letzten Jahren wurde es ziemlich langweilig.“
„Für ein Studium ist es nie zu spät.“
„Ja, das denke ich auch. Mit vierundzwanzig ist man doch noch ziemlich jung und hat noch viele Entwicklungsmöglichkeiten, oder?“
„Sehr jung“, erwiderte er in einem etwas zweideutigen Ton, der sie überraschte.
Sie erreichten ein Café unter Bäumen. Theo holte ihnen zwei Milchkaffee und führte Annie zu einem Tisch, wo sie sich ungestört unterhalten konnten.
Beide öffneten ihre kleinen Zuckerpäckchen, benutzten davon nur die Hälfte, falteten dann die andere Hälfte zusammen und legten sie auf ihrer Untertasse ab. Annie lachte. „Dann hätten wir uns ja eigentlich auch ein Päckchen teilen können, wenn jeder nur die Hälfte nimmt.“
Theo sah sie überrascht an, dann lächelte er und schüttelte den Kopf. Er wusste offenbar nicht so genau, was er von ihr halten sollte.
Nun, ihr ging es genauso mit ihm. Sie war ein bisschen schockiert, was Damiens Onkel betraf. Er war überhaupt nicht so, wie sie erwartet hatte.
Eigentlich hatte sie sich einen zerstreuten Professor vorgestellt – einen nachlässig gekleideten Akademiker über fünfzig, dessen Hemden dringend gebügelt werden mussten. Sie hatte erwartet, dass sein Haar ungekämmt wäre, er einen Bart tragen und sie die ganze Zeit über stirnrunzelnd anschauen würde.
Aber obwohl letzteres auch genauso gewesen war, als sie an seine Tür geklopft hatte, war er danach ausgesprochen höflich zu ihr gewesen. Und er konnte nicht viel älter als ihre Brüder sein, die beide Mitte dreißig waren.
Was seine Erscheinung anging – er war außerordentlich gepflegt. Sein Haar war kurz geschnitten, er trug ein blaues Hemd und eine graue Hose. Er war groß und wirkte sehr fit. Die dunkle Brille, die er trug, gab ihm etwas Gelehrtes, ließ ihn aber nicht weniger attraktiv erscheinen.
Aber er war nun einmal ein Philosoph!
Irgendwie hatte Annie nicht erwartet, dass jemand, der so gescheit war, auch gleichzeitig so … so weltlich aussehen konnte. Kein Zweifel, er war ausgesprochen attraktiv. Allerdings erfrischend anders, als sie es von den Machotypen im Busch gewohnt war.
Andererseits sollte sie sein gutes Aussehen vielleicht nicht überraschen, denn schließlich war er in direkter Linie mit Damien verwandt.
Der Gedanke an Damien bedrückte sie. Sie trank einen Schluck Kaffee und überlegte, wie sie Theo am taktvollsten nach seinem Neffen fragen konnte.
„Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, dass Sie sich für mich Zeit nehmen“, sagte sie und stellte die Tasse ab. „Bestimmt halten Sie mich für dumm, weil ich versucht habe, einen Mann übers Internet kennenzulernen.“
„Wenn Sie dumm sind, dann sind es Tausende anderer auch“, erwiderte Theo. „Im Internet Bekanntschaften zu suchen, wird von Tag zu Tag populärer.“
„Danke, dass Sie das sagen. Ich fühle mich jetzt schon viel besser.“
„Aber es tut mir leid, dass Sie deshalb eine so lange Fahrt machen mussten. Und es ist wirklich schade, dass Sie sich von Damien im Stich gelassen fühlen.“
„Dazu habe ich doch ein Recht, finden Sie nicht auch?“
„Natürlich, jeder hat ein Recht auf seine Gefühle.“
Annie sah ihn stirnrunzelnd an. „Kann ich Ihnen eine ganz direkte Frage stellen? Geht Damien mir aus dem Weg?“
Er seufzte und blickte in seine Tasse. „Ich bin mir nicht sicher.“
„Aber Sie haben doch bestimmt eine Vorstellung.“
Da sah er auf und lächelte sie an. „Vielleicht sollten Sie Staatsanwältin werden, Miss McKinnon.“
„Warum?“
„Weil Sie so direkt sind. Ich würde niemandem raten, Sie anzulügen.“
„Gut so“, erwiderte sie und setzte hinzu: „Wenn Sie wollen, können Sie mich auch Annie nennen und mir die Wahrheit sagen. Damien ist ein Mistkerl, stimmt’s?“
„Wenn Sie davon überzeugt sind, muss ich Ihnen ja nicht antworten.“ Er machte eine kleine Pause und setzte dann hinzu: „Annie.“
Seine Stimme klang ausgesprochen kultiviert. Als Annie ihren Namen aus seinem Mund hörte, durchlief sie ein Schauer. Sie hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand auf die Schulter geklopft, um ihr eine wichtige Mitteilung ins Ohr zu flüstern.
Das Gefühl war so stark,
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