Julia Collection Band 26
Moment: „Bist du so weit, Mel?“
„Ja, ich komme“, rief sie zurück. „Hör zu, Annie, ich weiß nicht, ob dein Plan funktioniert. Das Semester ist bald zu Ende. Wer weiß, ob überhaupt noch Vorlesungen gehalten werden. Wenn ich du wäre, würde ich mich aufs Shoppen konzentrieren.“
„Nein, danke“, erwiderte Annie ruhig.
Als es plötzlich an der Tür klopfte, war Theo Grainger in das Studium der Examensarbeiten vertieft.
„Herein“, sagte er, ohne von den Papieren aufzusehen.
„Dr. Grainger?“
Es war bestimmt eine Studentin, die sich Sorgen wegen ihrer Noten machte. Noch immer hielt er es nicht für nötig, die Besucherin anzuschauen.
„Haben Sie einen Termin?“, fragte er schroff.
„Nein.“
Er seufzte. „Sie wissen doch bestimmt, dass alle Studenten einen Termin vereinbaren müssen, wenn sie mit mir sprechen wollen. Tragen Sie sich in die Liste ein, sie hängt draußen am schwarzen Brett.“
„Jawohl.“
Damit war für Dr. Grainger die Sache erledigt. Nicht jedoch für die Besucherin.
„Eine Frage noch“, sagte sie zaghaft. „Können Sie mir bitte sagen, wo sich das schwarze Brett befindet?“
Endlich sah er auf und funkelte sie empört an. „Seit wann sind Sie hier Studentin?“
„Überhaupt nicht, ich meine …“ Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich bin nämlich gar keine Studentin.“
Überrascht erkannte er sie, es traf ihn wie ein Schock.
Annie McKinnon!
Um ein Haar hätte er ihren Namen laut ausgesprochen. Eine Schrecksekunde lang war er versucht, ihr zu sagen, dass er sie am Abend zuvor gesehen hatte, dass er ihr nachspioniert hatte.
Er stand langsam auf. „Entschuldigung“, sagte er, „wie war noch einmal Ihr Name?“
„Ich habe Ihnen meinen Namen gar nicht genannt. Wahrscheinlich bin ich zu nervös. Fast schäme ich mich, es zu sagen, aber ich bin Annie McKinnon. Sie haben auf die E-Mail geantwortet, die ich Ihrem Neffen geschickt habe.“
„Ach ja.“ Theo warf Annie über den Rand seiner Brille hinweg einen forschenden Blick zu.
Sie wand sich vor Verlegenheit, was ihn nicht überraschte.
„Ich habe also das Vergnügen, die unverblümte Miss McKinnon kennenzulernen“, sagte er.
„Es tut mir leid, Dr. Grainger. Wenn meine Freundinnen und ich gewusst hätten, dass Sie Damiens E-Mails lesen können, wären wir bestimmt nicht so direkt gewesen.“
„Ja, das kann ich mir vorstellen. Warum wollen Sie mich sprechen?“
„Weil ich mich bei Ihnen entschuldigen möchte.“
„Ich glaube kaum, dass Sie diejenige sind, die sich entschuldigen sollte.“
„Und weil ich die Wahrheit herausfinden will.“
„Welche Wahrheit?“
„Über Damien.“
Ihre Blicke trafen sich, und Annies Lächeln verblasste. Ihre Augen waren von einem tiefen Blau, das Theo an die Spiegelung eines sommerlichen Himmels im Wasser erinnerte. Es gefiel ihm, dass ihr Blick so offen und direkt war. Das war wahrscheinlich Annie McKinnons Markenzeichen.
„Ich möchte wissen, ob Damien wirklich aufgehalten wurde oder ob er einfach keine Lust hatte, mich zu treffen.“
Theo räusperte sich. „Vielleicht sollten wir diese Diskussion woanders fortsetzen“, sagte er und blickte verstohlen auf seine Uhr. „Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?“
„Ja, danke“, sagte sie warm. „Sehr gern!“
Theo griff nach seinem blauen Blazer und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Sie mussten dabei an Lillian, seiner Sekretärin, vorbei.
„Ich habe ihn gefunden“, sagte Annie fröhlich zu ihr.
„Ja, das sehe ich“, erwiderte Lillian anzüglich und warf Theo einen neugierigen Blick zu. Er beeilte sich, mit Annie den Raum zu verlassen.
Als die beiden durch die heiligen Hallen der Universität von Queensland gingen, war Annie sehr beeindruckt.
Die alten Universitätsgebäude aus Sandstein, der Innenhof mit seinem gepflegten Rasen, alles strahlte Tradition und Autorität aus. Es schien, als könne man das Wissen, das hier vermittelt wurde, geradezu mit den Händen greifen. Bestimmt machte es Spaß, in einer so inspirierenden Umgebung zu studieren.
„Wissen Ihre Studenten überhaupt, wie glücklich sie sein können, hier studieren zu dürfen?“, fragte sie.
Theo lächelte. „Leider wissen das nicht alle.“ Er sah sie an. „Was ist mit Ihnen? Hatten Sie nicht die Chance, zu studieren?“
„Eigentlich wollte ich gleich nach meinem Abschluss auf die Universität gehen. Aber dann ist mein Vater gestorben, und bei uns zu Hause ging alles drunter und drüber. Ich lebe
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