Julia Collection Band 26
der interessanteste Mann, den ich je getroffen habe.“
Erneut blitzte etwas in seinen Augen auf. Einen Moment lang hatte Annie das Gefühl, er würde gleich aufstehen und sie mit sich aufs Sofa ziehen.
Ach, wenn nur …
Theo ballte die Hände zu Fäusten und wandte den Blick ab. Annie merkte, wie schwer es ihm fiel, sich zurückzuhalten.
Nach einer langen Pause sagte er schließlich: „Was mich wundert, ist, dass ein so hübsches Mädchen wie du es nötig hat, nach Brisbane zu kommen, um hier einen Freund zu finden. Ich hätte gedacht, die jungen Männer würden sich um dich reißen, selbst im abgelegenen Outback.“
Annie konnte zunächst nicht antworten. Sie war überglücklich, dass Theo sie hübsch genannt hatte. Wow! Nur mit Mühe gelang es ihr, sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.
„Ich habe mich mit ein paar Jungen aus unserer Gegend getroffen“, sagte sie, „aber nach einer Weile habe ich einfach das Interesse verloren.
Wahrscheinlich hatte der deutsche Philosoph doch recht. Natürlich wäre es das Vernünftigste gewesen, wenn ich mich in einen von ihnen verliebt hätte. Aber es ist einfach nicht passiert. Ich weiß auch nicht, warum. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass ich mein Leben lang von Cowboys umgeben war. Deshalb gefallen mir Männer aus der Stadt viel besser.“
Theo antwortete darauf nicht, er sah zu Boden. Das verunsicherte Annie, sie bekam plötzlich Zweifel. Außerdem kam sie sich ziemlich albern war. Ob sie sich zu weit vorgewagt hatte?
Hatte sie die ganze Situation vielleicht falsch gedeutet? Sie hatte geglaubt, zwischen ihnen würde sich etwas entwickeln. Aber vielleicht stimmte das ja gar nicht. Vielleicht wollte Theo ihr nur taktvoll beibringen, dass er seine angebotene Gastfreundschaft bereits bereute.
Panik erfasste sie, ihr wurde kalt. Sie beugte sich vor und griff nach ihren Schuhen. Dann stand sie auf. „Wenn du möchtest, kann ich morgen wieder zu Mel ziehen“, sagte sie gepresst.
Sie merkte, dass sie jeden Moment in Tränen ausbrechen würde, und eilte, die Schuhe in der Hand, aus dem Zimmer, ohne seine Antwort abzuwarten.
„Gute Nacht“, rief sie ihm noch zu, dann lief sie, so schnell sie konnte, die Treppe hoch.
Theo sah ihr sprachlos nach.
Der gesunde Menschenverstand sagte ihm, dass es tatsächlich das Beste wäre, wenn Annie am nächsten Morgen wieder zu ihrer Freundin zurückging. Es war ziemlich unüberlegt von ihm gewesen, sie zu sich einzuladen. Wahrscheinlich war es mehr aus Eigeninteresse geschehen, als er vor sich selbst hatte zugeben wollen. Aber es war ja noch nicht zu spät, diesen Fehler zu korrigieren.
Im Geist sah er sich genau die richtigen Dinge tun – er würde sie zum Haus ihrer Freundin bringen und dann ohne sie zurückkehren. Er sah sich mit Basil beim Spaziergang auf der South Bank. Tag für Tag. Ohne sie. Er sah sich, wie er zahllose Rendezvous mit vernünftigen Akademikerinnen hatte, wie er sie mit ins Theater nahm – Frauen, die hinterher ganz bestimmt nicht weinen würden, egal, wie das Schauspiel endete.
Dieser Gedanke erschreckte ihn so sehr, dass er vom Sofa aufsprang und wie gehetzt die Treppe hinauf nach oben lief.
Annie stand bereits an der Tür zu Damiens Zimmer und wollte sie gerade schließen.
„Ich will nicht, dass du gehst“, sagte er.
Sie drehte sich zu ihm um. Ihr Gesicht war blass, ihre Augen schimmerten verdächtig feucht.
„Nein?“
Er schüttelte den Kopf und lächelte. „Tatsächlich fände ich es sogar ganz toll, wenn du bleiben würdest.“
Sie drückte ihre Schuhe gegen die Brust. „Warum hast du denn plötzlich deine Meinung geändert?“
„Aus einem sehr guten Grund.“ Er lächelte sie an. „Um ganz ehrlich zu sein, bist du die interessanteste Frau, die ich je getroffen habe.“
Einen Moment lang sah sie verwirrt aus. Zweifel war deutlich in ihren blauen Augen zu lesen. Dann strahlte sie plötzlich. „Freut mich, das zu hören“, sagte sie.
Doch statt sich ihm, wie er erwartet und auch gehofft hatte, mit der ihr eigenen Impulsivität in die Arme zu werfen, sagte sie nur ernst Gute Nacht und schloss die Tür.
Und wieder einmal hatte Dr. Theo Grainger das Gefühl, der Situation nicht gewachsen zu sein.
6. KAPITEL
JA!JA!JA!
Annie tanzte glücklich im Kreis herum, dabei schwenkte sie die Schuhe über dem Kopf. Theo fand sie interessant. Nicht nur irgendwie interessant, sondern er hatte gesagt, sie sei die interessanteste Frau, die er je getroffen hätte. Außerdem hatte
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