Julia Collection Band 27
sonst gesehen, seit Natalie und das Baby bei ihm waren. Was ihm durchaus recht war, so hatte er sie besser im Blick.
„Sie ist vorbeigekommen, um mir ein paar Bücher zum Lesen zu bringen“, sagte Natalie und ging zu dem Stall, in dem Shady Lady stand. „Aber ich glaube, das war nur ein Vorwand, sie wollte natürlich das Baby sehen.“ Als die freundliche Stute ihren Kopf über die Boxentür streckte, lächelte Natalie. „Na, du bist ja ein hübsches Tier.“
„Magst du Pferde?“ Travis war ihr gefolgt.
Natalie neigte den Kopf zur Seite, und man konnte sehen, dass sie sich intensiv konzentrierte, um sich zu erinnern. „Ich glaube, ja.“ Sie runzelte die Stirn. „Es erscheint mir merkwürdig, dass mich ein Pferd nicht ängstigt, während große Hunde …“ Sie brach ab und sah ihn mit großen Augen an. „Ich weiß jetzt, warum ich Angst vor Hunden habe.“
„Und warum?“
Seit den Kopfschmerzen vor ein paar Tagen hatte sie sich immer wieder an einzelne Teile aus ihrer Vergangenheit erinnert, doch bisher konnte sie noch nicht sagen, wer hinter ihr und Autumn her war, und warum. Travis hatte das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis auch dieser Teil ihres Gedächtnisses wiederkäme.
„Als ich dreizehn war, ist der Schäferhund unseres Nachbarn unter dem Zaun durchgekrochen und hat mich gebissen“, erzählte sie und rieb sich geistesabwesend den Unterarm.
Travis schlang einen Arm um ihre Schultern. „Wie schlimm war der Biss?“
„Ich trug einen dicken Wintermantel, der mich vor Schlimmerem bewahrte, aber ich kann mich erinnern, dass ich eine leichte Bisswunde hatte.“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist wirklich frustrierend, sich an solche dummen Dinge zu erinnern, aber nicht zu wissen, was vor zweieinhalb Monaten passiert ist.“
Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Gib dir noch ein bisschen mehr Zeit, Darling. Du erinnerst dich doch jeden Tag an etwas Neues.“
„Vermutlich hast du recht.“ Sie rieb über die weichen Nüstern des Pferdes. „Wie viele Pferde besitzt du?“
„Im Moment habe ich zwanzig, aber in ein paar Wochen werden es wohl fünf mehr sein.“ Er lächelte und deutete mit dem Daumen zu dem Stall, den er vorhin vorbereitet hatte. „Ende des Monats werden Billy und Juan denken, dass sie auf einer Säuglingsstation arbeiten.“
Travis sah, dass Natalie die Augen aufriss, bevor sie die Hand auf den Mund schlug.
„Natalie?“
„Ich glaube, ich habe in einer Geburtsklinik gearbeitet“, sagte sie ungläubig.
„Als wir uns trafen, hast du in einem Restaurant gekellnert“, erinnerte er sie.
Sie nickte. „Aber Mr. Craddock …“ Sie hielt inne, als wollte sie überlegen, was sie sagte. „Ja, ich bin sicher, so hieß er. Er hat mich gefeuert, als er herausfand, dass ich schwanger war. Er meinte, die meisten seiner Gäste wüssten, dass ich nicht verheiratet wäre, und es würde sich nicht so gut machen, wenn eine unverheiratete Mutter als Kellnerin bei ihm arbeitete.“
„Ob eine Frau verheiratet ist oder nicht, es ist illegal, sie wegen einer Schwangerschaft zu entlassen.“ Travis konnte es nicht fassen, wie häufig Arbeitgeber mit Gesetzeswidrigkeiten durchkamen. „Wie hast du den Job in der Klinik bekommen?“
„Ich weiß es nicht ganz genau, aber ich bin mir sicher, dass es eine Geburtsklinik war.“ Stirnrunzelnd schüttelte sie den Kopf. „Aber warum sollte ich für Ärzte arbeiten, wenn ich nicht einmal in die Nähe von einem Arzt will?“
„Ich weiß es nicht.“
Er wollte sie nicht aufregen oder etwas sagen, was ihre Erinnerung an die Vergangenheit beeinträchtigen könnte, aber er hatte das Gefühl, dass es einen bedeutsamen Zusammenhang zwischen ihrer Arbeit in der Klinik und ihrer Angst vor Ärzten gab. Außerdem kam er sich wie der größte Schuft unter der Sonne vor, weil er sich nicht mehr mit ihr in Verbindung gesetzt hatte, nachdem seine Mission in Chicago beendet gewesen war.
Aber an jenem Abend, als sie seine wahre Identität erfahren und darauf bestanden hatte, dass er ihre Wohnung verließ, hatte er sich eingeredet, erleichtert zu sein, denn ihre vierwöchige Romanze hatte sich für seinen Geschmack viel zu schnell zu einer Beziehung entwickelt.
Jetzt kannte er Natalie besser, und in Anbetracht der Tatsache, dass sie zusammen ein Kind hatten, machte er sich noch größere Vorwürfe, weil er so schnell aufgegeben hatte. Ihr Mangel an Vertrauen und ihre intensive Abneigung gegenüber reichen Leuten war wohl begründet,
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