Julia Collection Band 27
schließlich im Bett lag und an die Decke starrte, grübelte sie mehr über ihr eigenes Verhalten als über Keiths. Genau genommen war ihr Benehmen noch merkwürdiger gewesen als seins, und der Gedanke daran trieb ihr Tränen in die Augen, bis sie schließlich irgendwann in einen unruhigen Schlaf fiel.
Auch Keith fand keine Ruhe. Immer wieder fragte er sich, warum er gegangen war, obwohl er Andrea gewollt hatte! Er wollte sie noch immer. Oder nicht?
Nachdem er in der Nacht kaum Schlaf gefunden hatte und den ganzen Tag über nicht so recht zu gebrauchen gewesen war, entschied er sich, Andrea anzurufen. Sie war nicht da, also hinterließ er eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter: „Hallo, Andrea. Du hast gesagt, ich könnte dich heute anrufen. Schade, dass du nicht da bist, aber vielleicht kannst du ja zurückrufen. Meine Nummer ist 555-2777. Ich würde dich gern sehen. Wir könnten zusammen essen oder uns einfach bei dir oder mir treffen und uns ein wenig unterhalten. Bitte melde dich.“
Als Andrea, die den Nachmittag im „New Hope Center“ verbracht hatte, die Nachricht abgehört hatte, musste sie sich erst einmal setzen. Schon den ganzen Tag lang war sie nervös und unruhig gewesen. Würde ein Treffen mit Keith daran etwas ändern? Wohl kaum.
Was geschah mit ihr? Bisher hatte sie es nicht schwierig gefunden, enthaltsam zu leben, wahrscheinlich deshalb, weil kein anderer Mann solche Gefühle in ihr hervorgerufen hatte wie Keith gestern Abend. Sie hatte auch keinem anderen Mann die Möglichkeit dazu gegeben. Keith hatte diese verborgene und lange ignorierte Seite an ihr zum Vorschein gebracht. Aber warum gerade er?
Nun, eigentlich musste die Frage lauten: Warum sollte er es nicht? Er war schließlich ihre erste Liebe gewesen.
Nur dass sie damals noch überhaupt nichts von der Liebe verstanden hatte … jedenfalls nichts von der körperlichen Liebe. Was ihr eigener Fehler gewesen war. Sie war so versessen darauf gewesen, in ihrer Hochzeitsnacht noch Jungfrau zu sein, dass sie Keith damit wahrscheinlich vertrieben hatte.
Du hast ihn nicht vertrieben! Die Trennung war seine Schuld, weil er dir eine geschäftliche Zusammenarbeit vorgeschlagen hat, statt dir einen Heiratsantrag zu machen.
Ja, sie war erschreckend naiv gewesen, aber es war lange her. Gestern Abend war sie nicht im Mindesten naiv gewesen, und er war gegangen! Verdammt, nachdem er ihr jetzt tagelang hinterhergelaufen war, hatte sie ein Recht darauf zu wissen, wieso.
Sie griff nach dem Telefon und gab Keiths Nummer ein. Er antwortete nach dem dritten Klingeln.
„Hallo“, erwiderte sie auf seine Begrüßung. „Hier ist Andrea. Ich habe deine Nachricht gehört, und auch wenn es dich überraschen wird, aber ich würde dich gern heute Abend treffen.“
„Wie schön! Wollen wir zusammen essen gehen?“
„Nein, lass uns lieber etwas später sagen.“ Sie war nicht sonderlich erpicht darauf, dass sein Wagen wieder auf ihrer Einfahrt stand, auch wenn es ihr eigentlich egal war, was die Nachbarn dachten. Aber man musste dem Tratsch ja nicht auch noch Vorschub leisten. „Wie wäre es …“ Sie überlegte, wo sie sich ungestört treffen konnten.
„Komm zu mir“, meinte Keith brüsk. „Ich lasse eins der Garagentore offen, dann kannst du hineinfahren. Niemand wird wissen, dass du tatsächlich so weit gegangen bist, einen Mann zu besuchen.“
„Musst du immer so rüde sein?“, fragte sie empört.
„Ich dachte nur, dass wir beide inzwischen erwachsen geworden wären.“
„Keith, ich verstehe nicht, was zwischen uns vorgeht. Heißt das, dass ich unreif bin? Ich dachte, wenn wir ein wenig reden … Na ja, deshalb habe ich angerufen. Ich kenne mich selbst nicht mehr, und noch weniger weiß ich, was für ein Mann du jetzt bist.“
„Du willst heute Abend also nur herausfinden, wer ich bin. Okay, damit kann ich leben. Vielleicht kenne ich dich auch nicht mehr richtig, Andrea. Aber ich möchte dich auf alle Arten kennenlernen. Wann kann ich dich erwarten?“
Andrea überkam eine Art Panik. Sollte sie die Sache vielleicht doch lieber absagen? Doch sie wollte diese ganze Angelegenheit endlich bereinigen und sich von der Vergangenheit befreien. „So gegen neun“, meinte sie. „Nein, lieber um zehn.“
„Wenn es dunkel ist, was?“
„Soll ich es jetzt leugnen?“
„Andrea, ich weiß im Moment überhaupt nicht, was du wohl sagen oder denken wirst, aber ich würde es sehr gern wissen. Bis nachher.“
7. KAPITEL
Andrea ging unruhig auf
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