Julia Collection Band 28
berührte Adam nicht wirklich.
Er klopfte.
Seine Mutter öffnete und sah sichtlich besorgt aus. Das kurze schwarze Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Sie hatte sich geschminkt, was bei ihr ungewöhnlich war. „Sharon hat dich kommen gesehen.“
„Und?“
„Sie ist in ihr Zimmer gegangen. Du musst mit ihr reden, Adam. Ich habe es versucht. John hat es versucht. Sogar Rena hat aus Australien angerufen. Wir kommen nicht an sie heran.“
„Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass es bei mir anders sein wird – aber versuchen kann ich es ja“, fügte er hinzu, als ihn seine Mutter geradezu verstört ansah.
Adam erinnerte sich noch gut daran, wie er als Junge die schmale und steile Treppe hinauf- und hinuntergelaufen war. Dieselben Dielenbretter wie damals knarrten auch heute noch, als er zu Sharons Zimmer ging und klopfte.
„Sharon, ich bin es, Adam. Ich möchte mit dir reden.“
Er hatte sie seit dem letzten Sommer nicht mehr gesehen. Als sie die Tür öffnete, stellte er fest, dass sie das blond gefärbte Haar kürzer trug und ungefähr zehn Pfund zugenommen hatte. Sie trug noch ihre Büroklamotten – dunkelblaue Hose und eine Bluse mit rotem und blauem Paisley-Muster – und musterte ihn verstohlen. Vermutlich versuchte sie zu schätzen, wie teuer seine Kleidung gewesen war. So war Sharon.
„Mom hat mich gebeten, mit dir zu reden. Möchtest du hier oben bleiben oder nach unten kommen?“
„Ich möchte gar nicht mit dir sprechen. Was solltest du schon von Bedeutung zu sagen haben?“
Adam hatte sich bei seiner Schwester stets um Höflichkeit bemüht, doch für Höflichkeiten hatte er im Moment keinen Nerv. Sein eigenes aus den Fugen geratenes Leben kostete ihn momentan schon genug Kraft. „Du benimmst dich wie ein aufmüpfiger Teenager und nicht wie eine erwachsene Frau. Du solltest zur Abwechslung mal Reife zeigen und keine so lächerliche Show abziehen. Komm runter ins Wohnzimmer!“
Sharon erholte sich sehr schnell von ihrer Überraschung über seine unverblümte Art. „Du hältst dich ja für so klug, genau wie früher.“
„Ob ich klug bin oder nicht, hat nichts mit diesem Gespräch zu tun, Sharon. Warum willst du nicht, dass Mom und John heiraten?“
„Ich will nicht, dass hier ein Mann einzieht und Dads Platz einnimmt!“, rief sie. „Aber du hast ja keine Ahnung, wie das ist, weil du … Dad gehasst hast.“
„Ich habe Dad nicht …“ Adam stockte. Wenn er bei Sharon etwas erreichen wollte, musste er ehrlich sein. „Also gut, ja, ich habe ihn manchmal gehasst. Er konnte schrecklich gemein sein, natürlich nicht zu dir oder Rena, aber er war es zu mir. Du weißt so gut wie ich, dass er mich nur adoptiert hat, damit ich auf der Farm arbeite. Nach Delias Tod …“ Adam schüttelte seufzend den Kopf. „Das alles ist Vergangenheit. Jetzt hasse ich ihn nicht mehr. Er ist tot, und Mom verdient es, glücklich zu sein.“
Sharons Widerstand schien weniger zu werden. „Ich begreife nicht, wieso Mom nicht damit glücklich ist, wie es jetzt läuft. Sie und John …“ Sie unterbrach sich und wurde rot.
„Mom möchte heiraten, und das ist ihr gutes Recht“, sagte er ernst. „Und wenn du das nicht akzeptieren kannst und John nicht im Haus haben willst, solltest du die Farm verlassen und dein eigenes Leben führen.“
„Du kannst leicht reden“, entgegnete sie. „Du hast schließlich mehr Geld, als du brauchst.“
„Ich hatte keines, als ich zum College ging.“
„Aber du hast ein Stipendium gehabt.“
„Ja, um die Studiengebühren zu bezahlen. Für den Rest habe ich in einer Pizzeria gearbeitet. Man muss eben anpacken, wenn man ein eigenes Leben beginnt, Sharon. Du hast eine gute Arbeit und kannst dir bestimmt eine Wohnung leisten. Was hält dich hier?“
„Mom hält mich! Nach Dads Tod hat sie mich gebraucht.“
„Kann schon sein, aber das ist lange her. Mom braucht jetzt John, und ich denke, du brauchst auch mal ein bisschen frischen Wind in deinem Leben.“
Sharon schwieg eine Weile, ehe sie fragte: „Kommst du zur Hochzeit?“
„Keine Ahnung. Falls Mom mich einlädt, werde ich zumindest versuchen, dabei zu sein.“
„Mom will nicht einmal eine richtige Hochzeit, sondern nur einen Standesbeamten.“
„Wenn zwei Menschen einander versprechen, für den Rest ihres Lebens zusammenzubleiben, ist das für mich eine richtige Hochzeit.“
„Weißt du was, Adam? Nur weil du eine Firma besitzt, weißt du noch lange nicht alles.“
Das war ihm nur zu klar.
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