Julia Collection Band 55 (German Edition)
Charles’ Nachricht wieder und wieder an und fragte sich, wie sie sich dazu verhalten sollte. Es war eine eindeutige Entschuldigung, und sie war ihm auch nicht mehr böse. Aber was bedeutete, dass er sie schon immer für etwas Besonderes gehalten hatte? Und dass sie Freunde bleiben sollten? Freunde! Nach dieser Nacht voller Leidenschaft war es ihr unmöglich, ihn nur als einen Freund zu betrachten.
Sie waren ehemalige Geliebte. Wieso scheute er vor diesem Begriff zurück? Sie nahm sich vor, am nächsten Tag mit ihm ehrlich über ihre Beziehung zu sprechen.
Charles war ungewohnt angespannt. Er hatte gerade erfahren, dass ein Fernsehteam auf dem Weg ins Kaufhaus war, um ein Interview mit ihm und Jennifer anlässlich ihres letzten Tages im Schaufenster zu machen.
Auch hatte er versucht, seinen Vater telefonisch zu erreichen, um ihn wegen der Kameras zu befragen, aber sein Vater war einfach nicht zu erreichen.
Dazu kam, dass er sich wegen Jennifer Sorgen machte. Er wollte unbedingt allein mit ihr sprechen, wenn es sein musste, auch im Schaufenster.
Also begab er sich in die Küchendekoration, begrüßte das wartende Publikum und las die bereitgelegten Kochanweisungen. Wenigstens gab es heute keine Eier. Dafür stand gesüßter Haferbrei mit Datteln und Rosinen auf dem Speiseplan.
Jennifer betrat die Dekoration, gekleidet in eine cremefarbene Bluse und eine modische Hose. Sie trug ihr Haar heute offen, sodass es malerisch über ihre Schultern floss. Als ihre Blicke sich trafen, schien sie die Menge vor dem Fenster nicht mehr wahrzunehmen.
Sie straffte sich und trat zu ihm an den Küchentresen. „Ich habe mir deine Aufnahme angesehen. Ich möchte dir für deine Mühe und deine Entschuldigung danken. Ich vergebe dir. Gestern habe ich etwas überreagiert. Wahrscheinlich ist meine Einbildung mit mir durchgegangen. Das tut mir leid.“
„Schon in Ordnung.“ Charles war erleichtert, dass sie ihm nicht länger böse war. „Die ganze Situation war sehr missverständlich.“
Sie nickte bedächtig. Ihr ernsthafter Gesichtsausdruck gefiel ihm gar nicht. „Aber was deine Frage angeht, ob wir, wie früher, Freunde bleiben können, muss ich mit einem klaren Nein antworten“, fuhr sie. „Wir können nicht so tun, als wäre nichts geschehen. Und wir sollten uns auch nichts vormachen. Wir hatten eine kurze Affäre, die nun vorbei ist. Lass uns zusehen, dass wir uns jetzt vernünftig verhalten.“
Charles zog die Augenbrauen zusammen. Wieso sollte ihre Affäre vorbei sein? Wieso sprach sie überhaupt von einer Affäre? Und wollte sie wirklich alles beenden?
Einen Moment lang sank er in sich zusammen und ließ mutlos die Schultern hängen. Offenbar wollte sie wirklich einen klaren Schlussstrich.
Jennifer schüttete Haferflocken ins Wasser, und Charles fügte gedankenverloren die Rosinen hinzu.
„Das reicht“, wies sie ihn an, als er immer weiter Rosinen hineinschüttete.
„Entschuldigung“, murmelte er brummig. „Du gibst dich ja immer mit wenig zufrieden.“
„Was soll das heißen?“
„Nichts. Also, wie geht es weiter?“
„Wie geht was weiter?“
„Du sagtest, wir sollen uns vernünftig verhalten. Wie meinst du das?“
Jennifer stellte den Haferbrei in die Mikrowelle und schaltete den Timer ein. „Ich weiß es nicht. Außerdem hängt es mehr von dir ab als von mir. Du bist der Boss. Ich bin nur eine Angestellte.“
„Komm mir bloß nicht so!“, fiel er ihr gereizt ins Wort.
Sie blitzte ihn wütend an. „Aber das ist die Wahrheit. Du hast die Macht. Du kannst mich feuern, und wenn du mich nicht entlässt, dann ist es an dir, zu entscheiden, wie es mit uns weitergeht. Entweder tust du so, als ob nichts geschehen wäre, oder machst mich zu deiner heimlichen Geliebten. Vielleicht findest du mich ja auch mit irgendwelchem Glitzerkram ab und schickst mich dann in die Wüste.“
Charles hatte Mühe, seinen Zorn im Zaum zu halten. „Wieso musst du es immer in den Schmutz ziehen? Wir leben doch nicht mehr in den fünfziger Jahren. Wir sind zwei gleichberechtigte erwachsene Menschen, die sich zueinander hingezogen fühlen und sich entsprechend verhalten.“
Jennifer war die Verblüffung deutlich anzusehen. In diesem Moment klingelte der Timer der Mikrowelle. Jennifer nahm den Haferbrei heraus. Als sie endlich antwortete, klang sie ungewohnt schnippisch. „Wie soll es also weitergehen?“
„Das habe ich dich gerade gefragt!“
Sie drehte sich zu ihm um, und er konnte die Tränen in ihren Augen
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