Julia Collection Band 57
Lincoln umdrehte, war sie sich nicht sicher, was sie in seiner Miene sehen würde. Doch Lincoln schaute sie gar nicht an. Er war bereits damit beschäftigt, seine Hemdsärmel aufzurollen.
„Lincoln?“ Ihre Stimme zitterte.
„Es ist schon in Ordnung“, murmelte er und strich ihr dabei sanft über die Wange. „Alles wird gut. Aber ehe wir in die Zukunft blicken können, müssen wir uns mit der Gegenwart befassen. Die spielt sich hier ab, in diesem Krankenhaus. Und zum ersten Mal in seinem Leben braucht Cade mich.“ Nach einem Blick auf seine Brüder fuhr er leise fort: „Adams, Jackson und Jefferson bleiben hier. Und Eden. Falls du einen Wunsch hast, brauchst du ihn nur zu äußern.“ Dann wandte er sich an Cooper, der inzwischen aufgestanden war: „Wann sollten wir die Sache in Angriff nehmen?“
„Je eher, desto besser für Cade.“
Lincoln nickte, ohne den Blick von Lindsey zu wenden. „In Ordnung.“ Wieder streichelte er ihre Wange. „Es wird nicht lange dauern. Wenn das alles hier überstanden ist, holen wir Cade nach Hause. Gemeinsam.“
Cade.
Lincoln hatte ihren Sohn beim Namen genannt. Das hatte er in letzter Zeit zwar häufiger getan, jedoch nie mit diesem gewissen Unterton. Lindsey konnte nicht sprechen. Sie konnte keine Worte finden, die ihre Dankbarkeit ausdrückten.
Sie starrte Lincoln nur an, doch dann lächelte sie. Als er ihr Lächeln erwiderte und sich vorbeugte, um flüchtig ihren Mund zu küssen, zitterten ihre Lippen, und in ihrem Herzen keimte Hoffnung auf.
Noch einen Moment lang hielt er ihren Blick gefangen. Dann wandte er sich ab. „Sind Sie bereit, Cooper?“
„Ja.“
„Dann wollen wir keine Zeit verlieren.“
Von ihrer Sofaecke aus sah Lindsey Lincoln nach, wie er Seite an Seite mit Cooper den langen Korridor entlangging und dann gemeinsam mit ihm hinter der bedrohlichen Schwingtür verschwand.
Das Warten hatte erneut begonnen. Doch zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte Lindsey sich nicht so verloren, so einsam.
„Wir werden Cade nach Hause holen. Gemeinsam.“
Wie tröstlich das klang.
7. KAPITEL
„Morgen, Tiger“, sagte Lincoln.
Lindsey, die auf einen an das Belle Terre Trauma-Center angrenzenden Park hinausgesehen hatte, wandte sich vom Fenster ab. Ja, Cade war tatsächlich wach und lächelte Lincoln an, der mit einem Buch und einem eingewickelten Päckchen an der Tür stand.
„Lincoln!“ Trotz der Metallschiene an seinem Bein versuchte Cade sich aufzurichten. Lindsey half ihm. „Mom hat gesagt, du hättest heute vielleicht keine Zeit, um mich zu besuchen.“
„Von wegen.“ Lincoln trat neben Lindsey an Cades Bett. „Ich habe immer noch Urlaub. Ehrlich gesagt hatte ich heute nichts weiter zu tun, als nach meinem Dad zu sehen und mit Jesse Lee über ein paar Dinge in Belle Rêve zu reden. Aber auch wenn ich mehr zu tun gehabt hätte, hätte ich mir Zeit für meinen mutigen Beifahrer genommen.“
Cades Lächeln verflog. „Es wird bestimmt noch lange dauern, bis ich mit dir wieder auf dem Aufsitzmäher fahren kann. Und das neue Fohlen, das Mr Jesse mir gezeigt hat, ist bestimmt schon groß, bis ich wieder mal auf die Plantage komme.“
„Vielleicht dauert das gar nicht so lange, wie du denkst.“ Lincoln legte seine Geschenke für Cade beiseite und sah Lindsey an. Er hoffte, dass sie ihm seine Besorgnis nicht ansah. Sie würde doch nur wieder abstreiten, dass Cades Unfall sie viel Kraft kostete.
Lincoln fürchtete, dass sie, tief erschöpft wie sie bereits war, diese neue Strapaze nicht verkraften konnte. Er hatte sie gebeten, in Edens Hotel, dem „Inn at River Walk“, kurz „River Walk“ genannt, ein Zimmer zu beziehen, damit Cullen und das Hotelpersonal sich um sie kümmerten, falls einmal keiner der Cades bei ihr war. Doch sie hatte dieses Angebot abgelehnt und auch nicht in das für Eltern kranker Kinder eingerichtete Gästehaus des Hospitals ziehen wollen.
Es hatte ihn nicht überrascht, dass Lindsey sich weigerte, Cade allein zu lassen. Seit fünf Tagen schlief sie nun schon in einem Ohrensessel neben seinem Bett.
„Hast du geschlafen?“, erkundigte er sich, obwohl ein Blick genügte, um seine Besorgnis zu bestätigen.
„Ja, ganz gut.“
„Du brauchst mehr Ruhe, als du sie hier bekommst.“ Sacht strich er mit dem Daumen über die dunklen Schatten unter ihren Augen. „Sehr viel mehr.“
Ruhe, wie man sie beispielsweise durch ein reines Gewissen bekam. Seit Cades Unfall hatte Lindsey mit ihrem schlechten Gewissen mehr zu
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