Julia Collection Band 57
würde.“
„Nämlich wie?“, hakte Lindsey nach, ehe sie der Mut verließ. „Wie denkst du über Cade?“
Lincoln wandte sich ab und sah zum Fenster hinaus. Die Sonne stand tief am Himmel, und die Bäume warfen lange Schatten. Ein leichter Wind wirbelte Staub auf.
Als Lincoln sich wieder umdrehte, suchte er Lindseys Blick. „Ich liebe ihn. Von Anfang an, selbst als ich noch mit der Wahrheit rang. Ich war bis tief in die Nacht auf und trank eine halbe Flasche Scotch, weil ich nicht wahrhaben wollte, dass ein kleiner Junge namens Cade von einem Augenblick auf den anderen meine Welt auf den Kopf gestellt hatte.
An dem Tag, als ich herkam, um die Treppe zu reparieren, da begriff ich, dass ich meine Abwehr überwunden hatte. Obwohl wir uns eben erst kennengelernt hatten, fasste Cade nach meiner Hand, als wir von der Scheune zum Haus gingen. Und mit dieser vertrauensvollen Geste gewann er mein Herz vollends.“
Lincoln sah erneut aus dem Fenster. Er war Realist, ruhig, pragmatisch. Ein Mann, der wenig sagte und seine Worte sorgfältig wählte. Heute legte er sein Herz offen, und das war für jemanden, der seine Gefühle immer für sich behielt, eine heikle Sache. Aber er hatte einmal den Fehler begangen, sich nicht zu offenbaren, und hatte dadurch mehr verloren, als er je für möglich gehalten hätte. Er würde nicht noch einmal schweigen.
Er wandte sich wieder Lindsey zu. „Ich liebe Cade wirklich. Ich würde ihn lieben, egal, wessen Kind er ist. Aber ich bin unglaublich stolz, dass er mein Sohn ist.“
Lindsey war sehr erleichtert, obwohl es noch mehr zu sagen gab. Mehr, womit sie beide sich auseinandersetzen mussten. „Was wirst du tun, Lincoln? Was willst du?“
„Ich möchte an Cades Leben teilhaben – nicht nur hin und wieder, sondern jeden Tag. Ich möchte, dass er mich kennenlernt, so, wie ich bin, nicht nur als allmächtiger Held aus Luckys Erzählungen. Dann, wenn die Zeit reif dafür ist, möchte ich, dass er erfährt, dass ich sein Vater bin.
Wenn er das dann alles weiß und versteht, kann er selbst entscheiden.“
„Entscheiden!“ In panischer Angst umklammerte Lindsey die Armlehne ihres Stuhls. „Du würdest mir Cade wegnehmen?“
„Dir Cade wegnehmen?“ Es machte Lincoln wütend, dass sie ihm eine solche Grausamkeit zutraute. „Natürlich nicht. Ich würde einen Jungen doch nie von der Mutter trennen, die er abgöttisch liebt.“
Lindsey war noch blasser geworden. Doch ihre Augen funkelten wie blaues Feuer. Ihre Erschöpfung war nur allzu offensichtlich. Trotzdem würde sie, dessen war sich Lincoln sicher, bis zum letzten Atemzug für Cade kämpfen.
Sein Ärger legte sich, und er nahm ihr gegenüber Platz. Aufgewühlt wie er selbst war, hatte er gar nicht bedacht, dass es ihre allergrößte Angst sein würde, Cade zu verlieren. Und doch hatte sie seinen Sohn zu ihm gebracht.
Als sie seinerzeit gute Freunde und Partner bei der Waldbrandbekämpfung waren, da war Lindsey immer stark gewesen, immer liebenswürdig. Vor allem aber ehrlich. Eigenschaften, die er nie angezweifelt hatte, bis er sie mit einem dunkelhaarigen Jungen auf der Veranda der Stuart-Farm gesehen hatte. Seitdem hatte er sich immer wieder gefragt, ob er sie überhaupt je gekannt hatte. Jetzt hatte sie ihm das kostbarste Geschenk überhaupt gemacht. Auf die Gefahr hin, es selbst zu verlieren.
Sie beide mussten sich unbedingt aussprechen.
„Ich wollte dich nicht ängstigen, Sweetheart. Ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Mit entscheiden meinte ich, dass ich es Cade überlassen möchte, wie er heißen will, Stuart oder Cade, was ja sein rechtmäßiger Nachname ist.“
In Lindseys Wangen kehrte Farbe zurück, was jedoch leider nur die dunklen Schatten unter ihren Augen betonte. „Wenn er sich für Stuart entscheidet? Wenn er weiterhin Cade Stuart heißen will, was dann?“
„Dann werde ich mich damit zufriedengeben. Dir und Lucky habe ich es zu verdanken, dass Cade ein Sohn ist, auf den jeder Vater stolz sein würde. Ich kann nur inständig hoffen, dass er auch stolz darauf sein wird, mich zum Vater zu haben.“
Lindsey wusste, wie Cade entscheiden würde. Genau wie Lucky es von Anfang an beabsichtigt hatte. Um mit seinem schlechten Gewissen fertigzuwerden, hatte Lucky Cade gelehrt, seinen leiblichen Vater zu lieben, noch ehe er ihn überhaupt kannte. Doch es ging nicht nur um einen Namen.
„Wie willst du den Menschen, die dir wichtig sind, eigentlich erklären, dass du plötzlich einen Sohn
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