Julia Collection Band 57
zukünftig treffen würde.
Am liebsten hätte er Lindsey in die Arme geschlossen, um sie zu trösten. Doch sie war zu verzweifelt und zu verängstigt, um sich von ihm trösten zu lassen. Trotzdem wollte er ihre verfahrene Situation heute Abend klären. Gemeinsam würden sie den richtigen Weg für Cade finden.
Für meinen Sohn, dachte er.
Diese Worte hallten endlos in seinem Kopf wider, und Lincoln fürchtete schon, sie würden gleich aus ihm heraussprudeln. Und er würde sagen, was er bisher nie zu sagen gewagt hatte.
Er wusste, dass es an der Zeit dafür war. Lächelnd streichelte er Lindseys Wange. „Es kommt alles in Ordnung mit Cade. Lucky hat die Fundamente gelegt. Jetzt ist es an uns, alles Weitere zu tun. Und das werden wir, Lindsey.“ Lindsey fühlte sich wie in einem Traum, und dafür hatte Lincoln gesorgt. Als er mit ihr ins Haus ging, sah sie ihn an. „Du hasst mich nicht.“ Das klang erstaunt. „Ich glaube, ich müsste mich selbst hassen.“
„Warum?“
„Für das, was ich dir vorenthalten habe. Für verlorene Jahre. Für mein Schweigen.“
„Ich habe es versucht“, gab Lincoln zu. „An jenem ersten Abend, als ich mit der Wahrheit rang, wollte ich dich hassen. Vielleicht, um für mich selbst eine Rechtfertigung zu haben. Aber ich konnte mich nicht von meiner Mitschuld freisprechen. Das kann ich auch jetzt nicht.“
Lindsey betrat die geräumige Wohnküche, den Mittelpunkt des Farmhauses. „An jenem ersten Abend sah Cade einen Mann auf einem Pferd – dich und Diablo.“
Es duftete appetitlich nach dem Essen, das Lincoln in Edens Hotel bestellt und das Cullen angeliefert hatte. Aber Lincoln dachte jetzt nicht ans Essen. „Ich hatte mir selbst vorgemacht, dass ich nur hier sei, um ein Rudel verwilderter Hunde aufzuspüren. Doch in Wirklichkeit war ich gekommen, um in Erinnerungen zu schwelgen.“
„Wegen Luckys Brief.“ Lindsey ließ sich erschöpft auf einen Stuhl fallen.
„Wegen der Briefe von euch beiden.“ Lincoln war viel zu rastlos, um sich hinzusetzen, und ging nervös auf und ab.
„Wie seltsam, dass die beiden Briefe zusammen ankamen. Luckys Brief, den er im Vertrauen darauf geschrieben hatte, dass eure Freundschaft sechs Jahre ohne jeden Kontakt überdauert hatte. Dann mein Brief mit der Nachricht von Luckys Tod. Das muss sehr beunruhigend und verwirrend für dich gewesen sein. Trotzdem hat er Cade mit keinem Wort erwähnt. Warum nur?“
„Nicht, weil er Cade nicht lieb gehabt hätte. Das wissen wir beide, Lindsey.“ Als sie ihn überrascht ansah, erklärte er: „Ich muss die beiden nicht zusammen erlebt haben, um das zu verstehen. Es genügt, Lucky gekannt zu haben und jetzt Cade zu kennen. Dass die beiden einander von Herzen zugetan waren, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.“
„Es ist merkwürdig, dass er dich bat, mir zu helfen, und Cade mit keinem Wort erwähnt hat. Lucky war bis zuletzt bei klarem Verstand …“ Wieder schüttelte Lindsey den Kopf. „Das Ganze ergibt für mich einfach keinen Sinn.“
„Du irrst dich.“ Lincoln blieb stehen und suchte Lindseys Blick. „Du siehst bei dem Ganzen nur Lucky. Wenn du mich aber mit einbeziehst, macht es absolut Sinn.“ Er lächelte. Es war ein von Herzen kommendes Lächeln. „Früher kannte Lucky mich oft besser als ich mich selbst. Er wusste genau, wie ich reagieren würde, was ich in einer unerwarteten Situation sagen würde.
Als meine Brüder und ich seinerzeit gegen Gus’ strenges Regiment rebellierten, gingen wir oft nach einem langen Arbeitstag auf der Plantage nachts auf die Piste und tobten uns aus. Lucky war nie dabei. Aber während der ganzen Zeit blieb er immer derselbe ruhige, beständige Freund, der mich genau kannte. Sechs Jahre und dreitausend Meilen Distanz haben daran nichts geändert.
Selbst angesichts des Todes und unter Schmerzen erinnerte er sich, dass ich am besten mit Problemen fertigwerde, wenn ich meine Entscheidungen allein treffe, auf meine Art, zu der von mir bestimmten Zeit, ohne Beeinflussung durch andere.“
„Lucky hat Cade nicht als Problem gesehen, Lincoln. Selbst an seinen schlimmsten Tagen war Cade die Freude seines Lebens.“
„Natürlich nicht. Niemand, der Cade kennt, könnte das je anzweifeln. Das Problem, die unbekannte Größe sozusagen, war ich.“ Ironisch lächelnd fuhr Lincoln fort: „Dass Lucky dich überhaupt hierher geschickt hat, ist ein ziemlich klares Indiz dafür, dass er sicher war, wie ich letzten Endes in Bezug auf Cade denken
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