Julia Collection Band 62
vorschlagen, sich in einem Café irgendwo in der Stadt zu treffen anstatt hier. Vielleicht sollte sie dem Mann erst dann von Alice erzählen, wenn sie ein paarmal miteinander ausgegangen waren und die Chance hatten, sich besser kennenzulernen. Aber damit würde sie ihn nur hintergehen, und außerdem hatte sie dazu sowieso keine Zeit! Sie brauchte bald einen Ehemann! Sollte sie die Anzeige anders formulieren?
Ehemann und Vater verzweifelt gesucht.
Die Gedanken wirbelten wie bei einer Achterbahnfahrt durch ihren Kopf – schnell, beängstigend und unaufhörlich.
Wenn ich nicht verheiratet bin, dann wird Dr. Feldman dem Gericht empfehlen, das Sorgerecht Mom zu übertragen. Und Dr. Feldmans Empfehlung wird einen größeren Ausschlag geben als alles andere, da Jodie ihn zu Beginn ihrer Schwangerschaft in ihrem Testament zu Alices Vormund gemacht hat.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ihre Halbschwester noch gar nichts von Suzannes Existenz gewusst.
Und Mom darf Alice nicht bekommen, denn die Kleine braucht Liebe, und Mom liebt niemanden außer sich selbst, ganz egal, wie gut sie auch schauspielern kann. Aber ich, ich liebe Alice. Sie hat meine ganzen Pläne für die Zukunft über den Haufen geworfen. Doch wo kriege ich nur einen Mann her, und zwar bald, der sich genauso um sie sorgt wie ich?
Suzanne hatte darauf keine Antworten. Entschlossen packte sie den Babystrumpf in ihre Tasche, trank noch einen Schluck ihres sechsten oder siebten Kaffees und hastete dann in Richtung Aufzug. Für den Augenblick musste ihre Suche nach einem Mann – einem Prinz von einem Mann mit dem Herzen eines Helden – ruhen. Sie wollte zurück zur Neugeborenenstation, um nach ihrem kleinen Liebling zu sehen.
„Alice hat schon Besuch, Suzanne“, teilte ihr Terri McAllister, die Oberschwester der Station, mit.
„Oh, ist Mom hier?“ Suzanne gelang es nicht, die Stimme neutral zu halten. Im Moment war sie nicht gerade gut auf Rose zu sprechen.
„Nein, es ist nicht Ihre Mutter. Ich glaube, sie war schon seit zehn Tagen nicht mehr hier.“ Terri senkte mitfühlend die Stimme. „Sie hat mir erklärt, wie schwierig es für sie ist, Philadelphia zu verlassen, bei der ganzen Wohltätigkeitsarbeit, die sie dort verrichtet.“
Ja, Mom ist sehr glaubwürdig, wenn sie solche Dinge erzählt.
„Also wer …?“, fragte Suzanne ungeduldig.
„Sie kennen ihn wohl noch nicht.“ Irgendetwas in der Art, wie die Krankenschwester sprach, ließ Suzanne überrascht aufblicken. „Sein Name ist Stephen Serkin, und er hatte ein Empfehlungsschreiben von Dr. Feldman bei sich. Er ist, soweit ich weiß, erst seit ein paar Tagen im Land.“
„Was in aller Welt …“
Suzanne beendete den Satz nicht. Sie schob sich an Terri vorbei und überblickte die ganze Station. Der Raum war hell erleuchtet und vollgestopft mit den komplizierten Geräten, die man für die Pflege kranker und zu früh geborener Babys brauchte. Ihre Blicke überflogen andere Kinder und deren Besucher. Instinktiv richtete sie sich auf Alices Plexiglas-Brutkasten am anderen Ende der Station.
Und heute saß ein Mann auf dem harten Plastikstuhl neben der Kleinen – dem Stuhl, auf dem sie selbst so viele Stunden verbracht hatte. Aufmerksam betrachtete der Mann das schlafende Mädchen und sah auch nicht auf, als Suzanne sich ihm langsam näherte.
Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wer er war. Stephen Serkin. Der Name kam ihr nicht im Geringsten bekannt vor. Obwohl der Kinderarzt ihm offensichtlich einen Empfehlungsbrief geschrieben hatte, war sich Suzanne sicher, dass er den Mann niemals ihr gegenüber erwähnt hatte. Und sie war sich sicher, ihn noch nie in ihrem Leben gesehen zu haben.
Einen solchen Mann hätte sie nicht vergessen.
Er trug dunkelblaue Jeans und ein weißes T-Shirt. Eine braune Lederjacke hing über der Stuhllehne. Die Temperatur auf der Neugeborenenstation war hoch, eine Jacke also überflüssig. Das Kleidungsstück sah allerdings so aus, als wenn es häufig getragen und dabei wie angegossen auf diesen breiten Schultern sitzen würde.
Der Fremde schien in seiner eigenen Gedankenwelt verloren zu sein, obwohl sich sein Blick starr auf die kleine Alice richtete. Seine Augen waren unglaublich blau – die Farbe von Schatten auf blütenreinem Schnee. Doch über diesen Augen hatte sich ein Stirnrunzeln gebildet. Viele Menschen reagierten so, wenn sie Alice zum ersten Mal sahen. Sie wirkte immer noch so winzig und musste auch immer noch mit einer Sauerstoffmaske beatmet
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