Julia Collection Band 63
nahe zu sein, dachte Ella. „Ich kann mir die beiden einfach nicht als Paar vorstellen. Nicht nach dem, was ihre Ehepartner getan haben.“
Es herrschte einen Augenblick lang betretenes Schweigen.
„Aber das ist doch längst Schnee von gestern“, sagte Louisa schließlich in die Stille hinein. „Lasst uns von etwas Erfreulicherem reden. Ich habe nämlich eine Ankündigung zu machen.“ Sie stand auf, strich ihren Rock glatt und räusperte sich.
„Nun red schon. Mach’s nicht so spannend.“ Ella hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Ihre Schwester hatte sich in den letzten Tagen so merkwürdig benommen.
Louisa holte tief Luft. „Ich ziehe zu Cameron.“
„Was? Aber warum?“, fragte Ella entsetzt, während Grace und Missy sprachlos von einer Schwester zur anderen sahen. „Er wohnt doch gleich nebenan und nicht am anderen Ende der Welt.“
„Wir wollen miteinander leben“, antwortete Louisa. „Um zu sehen, ob es uns gefällt.“
„Ob euch was gefällt?“
Louisa errötete. „Na, Sex.“
„Alle Männer mögen Sex“, sagte Ella mürrisch. „Aber bei achtzigjährigen alten Jungfern habe ich da meine Zweifel.“
„Das mag ja für dich gelten, meine Liebe.“ Louisa ließ sich nicht einschüchtern. „Ich werde mir jedenfalls ein Nachthemd aus schwarzer Seide kaufen und zu Silvester bei Cameron einziehen.“
„Das wird nicht funktionieren.“ Ella versuchte, sich ihre Bestürzung nicht anmerken zu lassen. Was sollte sie denn allein in so einem riesigen Haus, wenn Louisa wirklich ausziehen würde?
„Du lieber Himmel.“ Missy hatte endlich ihre Sprache wiedergefunden. „Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll.“
Vermutlich, weil sie das schaurige Bild des unbekleideten Paares vor Augen hat, dachte Ella. „Auf den Schreck brauche ich einen Drink. Möchte sonst noch jemand einen Brandy?“
„Vergiss den Brandy“, sagte Louisa vergnügt. „Ich habe Rum besorgt. Wie wär’s mit ein paar karibischen Fruchtcocktails?“
„Wunderbar!“, rief Grace.
„Gute Idee“, fand auch Missy.
„Ich nehme einen doppelten“, beschloss Ella. „Wenn du in wilder Ehe leben willst, kann ich mich ja wohl einmal ordentlich betrinken.“
Er würde seine Schwärmerei einfach überwinden. Was machte es ihm schon aus, dass Maggie wieder diesen engen blauen Pullover trug, der so gut zu ihren Augen passte und in dem sie eine Figur hatte wie Marilyn Monroe?
Als Maggie durch die Aula der Schule zu ihrem Platz gegangen war, hatte sie ihn freundlich gegrüßt. Gabe stellte sich vor, wie er mit ihr in die Dunkelheit verschwinden würde, wie er sie auf dem Parkplatz verführen würde, an die Wand des Schulgebäudes gedrängt … na ja, auch diese Vorstellung würde er überwinden. Er war schließlich ein erwachsener Mann, der nur zufällig gerade in eine Frau vernarrt war, die er schon sein Leben lang kannte. Eine Frau, die zwar Single war, die ihm aber unmissverständlich klargemacht hatte, dass es zu spät war.
Zu spät. Was sollte das überhaupt heißen? Gabe saß eingezwängt auf einem winzigen Stuhl und wartete darauf, dass das Krippenspiel endlich anfangen würde. Seine Mutter saß neben ihm und unterhielt sich angeregt mit Leuten in der Reihe vor ihnen. Seine Tochter gehörte zu den Schülern, die beim Krippenspiel die Erzählerrolle innehatten, und sein Sohn spielte einen Weisen aus dem Morgenland. Hinter ihm unterhielten sich Cal und Lisette mit Mac, der mürrisch feststellte, dass man zu seiner Zeit noch pünktlich mit einer Vorstellung begonnen hatte.
Gabe warf einen Blick hinüber auf die andere Seite des Mittelgangs, wo Maggie mit ihrer Mutter und ihrer Tante saß. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich zusammenzureißen und zu hoffen, dass niemand seine Erregung bemerken würde. Hastig legte er das Programmheft auf seinen Schoß.
Der Schulleiter betrat die Bühne, um das Publikum zu begrüßen. Die Kinder der ersten Klasse sangen „Jingle Bells“, und niemand war so erleichtert wie Gabe, als endlich das Licht ausging und die Vorstellung begann.
„Großartig!“, rief seine Mutter fünfundsiebzig Minuten später begeistert. „Was für eine wundervolle Vorstellung. Und was ist nun mit morgen? Hast du schon alles vorbereitet?“
„Ja. Ich bringe Joe mittags zu dir, und du kannst Kate dann bei Maggie Moore abholen, wenn sie mit der Arbeit fertig ist.“
„Ich freue mich schon so darauf.“ Gabes Mutter war eine schlanke Frau, die mehr Energie hatte als so mancher Teenager. Sie
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